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Magie der Schatten: Roman (German Edition)

Magie der Schatten: Roman (German Edition)

Titel: Magie der Schatten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Lisowsky
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der Entfernung. Seine Schuhspitze traf es an der Schulter – und ging geradewegs hindurch. Die Gestalt kräuselte sich wie die Wasseroberfläche eines Teichs, auf den man einen Stein warf. »Du bist nicht echt«, sagte er verblüfft. »Noch weniger als die Mädchen.«
    Das kleine Männchen runzelte zornig die Stirn. Langsam, aber sicher verschwamm seine Gestalt. Elarides sprang von der Ruine und bückte sich nach dem Wesen. Bevor er ganz unten war, hatte sich der Gnom aufgelöst.
    Also nur eine weitere Prüfung, nur ein weiteres Spiel mit ihren Ängsten.
    Er setzte sich wieder auf seinen Felsen und sah den Männern zu, die Kadaver aus dem Haus brachten, das jetzt keines mehr war. Die Mädchen darin waren schön gewesen. Er hatte ihre blasse Haut gesehen, an Stellen, die bei Hofe stets bedeckt waren. Was sein Vater wohl sagen würde, wenn er in ein Bordell ginge? Es war doch nichts Schlimmes daran, seine Zeit mit schönen Frauen zu verbringen.
    Aber das war eine Frage, die er sich später stellen konnte. Sehr viel später. Alles, was im Moment zählte, war das dunkle Land und die Frage, wo es wohl endete.
    ***
    Am nächsten Tag zogen sie weiter, schwer mit Proviant beladen. Es war ironisch, dass nur eines von Brakas’ Angriff geblieben war: Verpflegung für Wochen. Eine dunkle Ironie, so dunkel wie das Land.
    Ohne ein Wort der Erklärung reisten sie nun wieder mit Vicolds Söldnern. Raigar hielt sich mit dem Messermann an der Spitze des Zuges, Elarides bildete das Schlusslicht. Er zog mit denselben Mördern und Unmenschen durch die Lande wie damals, als er ihr Gefangener gewesen war. Aber jetzt hielten sie Abstand zu ihm, beinahe, als fürchteten sie ihn. Eigentlich kümmerte es ihn nicht. Nur bei einem.
    ***
    Elarides erwachte in einer bitterkalten Nacht.
    Seine zwei Decken hielten die Kälte von draußen ab, halfen aber nicht gegen den Frost, der schon in seinen Knochen steckte. Er zitterte, und jede Bewegung war unangenehm. Anderswo, wo es Wolken gab, würde längst Schnee fallen.
    Er setzte sich auf.
    In der Mitte der Runde brannte ein kleines Feuer, gefüttert von den morschen Ästen und Zweigen der geisterhaften Baumgerippe. Aber die Flammen spendeten keine Wärme und waren vollauf damit beschäftigt, sich selbst am Leben zu erhalten.
    Nur eine einzige Gestalt bewegte sich auf der weiten Ebene, ein großer Mann, der am Rand des Lagers auf und ab ging.
    Elarides sah sich um. Alle anderen schliefen. Er schälte sich aus seinen Decken, warf sich eine um die Schultern und stieg über die schlafenden Männer hinweg.
    Sein Atem verwandelte sich in der Winterkälte in Dampf. »So kalt, dass einem fast die Nase abfriert«, sagte er leise an Raigars Seite.
    Der ging weiter. »So ziemlich.«
    Elarides folgte ihm. In der Pause, die entstand, schlang er sich die Decke fester um die Schultern. »Denkst du noch an Brakas?«
    Raigar blieb für eine Sekunde stehen, dann ging er weiter. »Er ist ein toter Mann. Ich kann nichts mehr für ihn tun. Oder siehst du das anders?«
    »Er verrottet jetzt zusammen mit den anderen toten Männern in der geschmolzenen Stadt.«
    »Ja«, sagte Raigar. »Aber er bekommt davon nichts mehr mit.«
    »Von seinem Tod hat er alles mitbekommen. Der war lang und schmerzhaft.« Elarides blickte auf zu dem Mann, der ihn um beinahe einen Meter überragte.
    »Was willst du mir damit sagen?« Missbilligung lag in seiner Stimme.
    »Dass du ihn getötet hast.«
    »Das weiß ich selbst.«
    »Dass es sinnlos und grausam war.«
    »Zeig mir einen Mann im Lager, der nicht sinnlos grausam ist.« Er deutete auf das Lagerfeuer. »Kinder und Steinchen zählen nicht.«
    »Genau. Das sind Mörder und Vergewaltiger«, sagte Elarides leise. »Aber du? Ist das jetzt alles plötzlich weg, was du mir in Zweibrück erzählt hast?«
    Er dachte an den Abend in der Kirche. Sie hatten sich so viel erzählt, und er hätte Raigar beinahe einen Freund genannt.
    Eine Faust krallte sich in sein Hemd, und er wurde hochgehoben. Der Stoff ächzte.
    »Du bist noch ein Junge. Was verstehst du von alldem?«
    »Genug«, keuchte er und hielt sich an Raigars Arm fest. »Genug, um die Widersprüche zu sehen.«
    »Sei kein Narr. Wir reisen seit Monaten. Willst du mir erzählen, dass du dich in der ganzen Zeit nicht verändert hast?«
    Elarides wurde die Luft knapp, und er röchelte. »Ich bin nicht zum Mörder an meinen Freunden geworden.«
    Abrupt ließ Raigar los, und er plumpste mit dem Hintern auf den harten Felsboden. Ein heißer Schmerz

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