Magie der Schatten: Roman (German Edition)
Söldnergruppe auf ihre Ankunft angesprochen. Vielleicht hatte auch nur niemand gemerkt, dass sie in der Nacht als Flüchtende angekommen waren. Aber bei einem so kleinen Ort war das unwahrscheinlich. Mit der Zeit würde es Fragen geben.
Am nördlichen Rand des Plateaus erhob sich eine Gebäuderuine ohne Dach. Die Fassade ragte als zerbrochenes Etwas kaum mehr als zwei Meter in die Höhe, und dort, wo einmal ein Portal eingelassen war, gab es nun freien Durchgang. Die Seitenwände standen höher, und die Rückwand war fast unbeschädigt geblieben. Ein Rosettenfenster, aus dem jegliches Glas verschwunden war, durchbrach die Wand an ihrem höchsten Punkt.
Raigar betrat den Raum. Reihen von Kirchenbänken wurden flankiert von geborstenen Säulenstümpfen, die einmal ein Seitenschiff getragen haben mochten. Der steinerne Boden breitete sich glatt und makellos aus, als habe das Gebäude nie in Trümmern gelegen. Raigar schritt über einen breiten Gang, der durch die Bankreihen zum Altar führte.
Er blieb mit seinem Mantel an einer Bank hängen und drehte sich um. Es war keine Bank, an der er festhing. Elarides saß da und hielt ihn fest.
»Du schon wieder«, sagte Raigar und setzte sich neben ihn. »Siehst gut aus. Mit gut meine ich: nicht mehr wie ein schmutziges Wiesel.«
»Du hast das mit dem Humor doch noch hingekriegt.«
»Und du das mit dem Sprechen. Und überhaupt: Gestern wolltest du noch davonlaufen.«
Elarides schloss einige Knöpfe an seinem einfachen Hemd, das er unter einer erdfarbenen Wolljacke trug. »Vor den anderen wollte ich davonlaufen. Das will ich immer noch.«
»Wieso hast du es nicht getan?«
»Ich wusste nicht, was sie mit mir machen würden, wenn ich es versucht hätte. Dieser Vicold, der mit den Messern, der ist eiskalt. Du hast das nicht mehr gesehen, weil du da schon gestürzt bist, aber er hat einen seiner eigenen Leute vom Pferd gestoßen, um die Soldaten aufzuhalten. Die Männer scheint das aber nicht zu stören, sie folgen ihm ja weiterhin.«
Raigar lachte bitter. »Er ist ein gefährlicher Mann, und das macht ihn zu ihrem Anführer.«
»Eigentlich bist du viel gefährlicher. Du könntest ihn und noch zwei von seiner Sorte mit deinen Armen einfach zerdrücken.«
Raigar hob die Hände und versuchte, sie zu Fäusten zu ballen. Die Bandagen, die von den Handgelenken bis zu den Fingerspitzen reichten, spannten sich. »Worte sind manchmal stärker als Arme.«
Elarides hielt den Blick auf ihn gerichtet. »Aber auch, wenn du könntest, du tötest ja niemanden. Ich verstehe das nicht.«
»Musst du nicht. Selbst um den bösartigsten Mann wird immer irgendwo jemand trauern.«
»Das klingt seltsam. Ich meine, dass ein Söldner so etwas sagt.«
Raigar atmete schwer. »Dabei bin ich kein Söldner mehr. Ich wäre vor zwei Wochen in Weigrund beinahe Metzgersgehilfe geworden, oder Bäckerlehrling oder … Einiges wäre ich geworden, wenn ich nicht früher einmal Söldner gewesen wäre. Ich würde das gerne rückgängig machen, wenn es ginge. Ich habe so viel Zeit meines Lebens damit verschwendet, anderen Menschen die Kehlen durchzuschneiden. Jetzt holt mich das ein, und es ist wohl gerecht.«
»Aber weshalb hast du aufgehört? Ich meine, kämpfen und töten?«
»Ach ja. Die neugierige Jugend.« Raigar ballte eine Faust. Die Verbandsstreifen um seine Knöchel rissen und platzten ab.
»Ja.« Elarides lächelte.
»Nun, ich habe keine Geheimnisse vor dir.«
»Ich würde dich auch immer wieder fragen, bis du es mir erzählst.«
Raigar schnaubte. »Das war in einer kalten Nacht am Nordkap, in der wir für irgendwen gegen irgendwen gekämpft haben. Für einen Adligen, dessen Wappen ein Krake war, gegen Piraten, die einen Überfall auf seine Ländereien planten.« Er fuhr sich über die verbundene Hand. »Sie war dabei. Meine Mutter, eine der größten Kriegerinnen, die ich gekannt habe.« Er fuhr sich über den Oberkörper und hielt sich eine Stelle an der Seite. »Ein Armbrustbolzen in den Bauch. Leber, Gedärm, wer weiß. Die Wunde entzündete sich.« Seine Hand zitterte. »Und es gab keinen Heilkundigen in der Einheit.« Die Worte trieben aus ihm heraus, jedes verknüpft mit Bildern, mit Geräuschen, Gerüchen und Gefühlen, die besser vergraben geblieben wären. Die dunkle Nacht. Brechende Blicke. Schreie.
»Ich weiß nicht, ob ich ganz mitkomme«, sagte Elarides.
Raigar sah ihn an und sprach weiter. »Ein seltsames Fieber. Gift, vielleicht. Es machte ihre Haut blass und
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