Magie der Schatten: Roman (German Edition)
sondern den Weg in einen langsamen Tod. Der Kaiser wird uns Stück für Stück zermürben, und wir können rennen, wohin wir wollen. Am Ende stecken unsere Köpfe doch auf Lanzen in Weigrund.« Er machte eine Pause. »Damit das nicht passiert, drehen wir jetzt den Spieß um. Denn dieser blutrünstige Tölpel von einem Prinzen hat einen Fehler gemacht – er hat die Grenze gebrochen und uns damit eine ungeahnte Möglichkeit eröffnet.« Mit kalter Miene blickte er in die Runde, als wollte er in den Gesichtern lesen. »Wir berichten dem Nigromanten, dem Herrn dieses Landes, vom Fehltritt des Kaisers und machen ihn zu unserem Verbündeten. Er wird sich für uns um Weider kümmern.«
Kopfschütteln, aber auch Nicken. Gemurmel ging durch die Gruppe.
Elarides schloss sich denen an, die die Köpfe schüttelten. »Ihr wollt den Nigromanten besuchen wie einen gewöhnlichen Adligen, um ihm ein Bündnis vorzuschlagen? Er hat seine Augen überall hier. Er hat längst alles gesehen. Ob er nach Weigrund zieht oder nicht, das weiß er schon längst.«
Vicold ballte eine Faust »Wir haben versucht, unser Leben durch Flucht zu retten, aber das Ergebnis haben wir gestern gesehen. Flammen und Asche. Wir haben nur noch diese eine Möglichkeit.«
»Das Schattenland ist so groß wie das halbe Kaiserreich. Unsagbare Geschöpfe lauern dort. Und der Nigromant ist ein mächtiger Zauberer. Manche sagen, er ist der bösartige Bruder des Ewigen, der auf die Erde hinabgestiegen ist.« Grimmig sah Elarides Vicold an. Wenn er sich mit einem auskannte, dann mit den Geschichten, die erzählt wurden.
»Dann wird es für uns wohl Zeit, einem Gott gegenüberzutreten«, antwortete Vicold. Die meisten Söldner jubelten und applaudierten. Einige hielten sich noch zurück, besonders die, die sich mit Raigar herumtrieben. Steinchen, Rattenfinger und noch ein paar, deren Namen er nicht kannte.
»Euer Hauptmann hat den Verstand verloren«, rief Elarides.
Ein gewaltiger Schatten legte sich über ihn. Raigar stand vor ihm, in der Mitte des Versammlungskreises. Die Männer verstummten.
»Er sollte tot sein«, sagte der Riese. »In den Tunneln war kein Platz mehr, also brachte er die Wächter um, die sich ihm in den Weg stellten. Er hätte uns alle ins Verderben reißen können.«
Die Söldner sahen sich gegenseitig an. Nur einige wenige behielten ihre starre Miene bei. Vicold schritt langsam auf dem Platz auf und ab. Er war unbeeindruckt. »Und wenn ich nun unter den Leichen läge …«, er stieß mit der Fußspitze einen halb verkohlten Körper an, »...wer würde dann unsere Truppe führen?« Er lächelte kalt. »Ein gutmütiger Riese? Ein Königssohn aus einem fremden Land?« Kopfschüttelnd blieb er vor Raigar stehen. »Ihr wärt alle Fraß für die Würmer, wenn ich nicht mehr leben würde.«
Und das ist alles, was die Männer interessiert , dachte Elarides.
»Dann lass mich Wurmfutter sein«, sagte Raigar. »Ich folge nicht länger einem Wahnsinnigen.«
Vicold rührte sich keinen Zentimeter. »Also teilt sich unsere Gruppe hier.« Er sprach so laut, dass der ganze Platz es hören konnte. »Wer leben will, der folgt mir. Wer Wurmfutter sein will, der folgt ihm.« Er ging davon, über die gesamte Länge des Versammlungsplatzes. Die ersten Söldner setzten sich in Bewegung. Es waren die, die vorhin keine Miene verzogen hatten, als Raigar Vicolds Morde offenbart hatte. Dann folgte die Masse. Am Ende gingen auch die, die sonst immer nah bei Raigar gesessen hatten. Steinchen, Adler. Ihre Schritte hallten über den leeren Platz.
Raigar stützte sich auf eine der Bänke und setzte sich schließlich. »Elarides.«
»Ja. Ich glaube, jetzt sind wir allein.«
***
In der Nacht saß Raigar auf einem Felsen am Rand der Brückenschlucht. Das Rauschen der reißenden Wasser drang bis hoch zu ihm, und am Himmel standen unendlich einsam die Sterne.
Er zog die Klinge eines Schwertes über einen faustgroßen Stein, wieder und wieder. Die Waffe wurde immer schärfer und würde sich beim nächsten Angriff tief ins Fleisch des Feindes graben.
»Wo ist das andere?« Jemand setzte sich einige Meter neben ihn auf den nackten Fels. Ein hagerer Mann, dünn wie die Messer, von denen er zu viele besaß.
»Das andere?« Raigar hielt einen Moment inne und fuhr dann fort, die Klinge zu schleifen.
»Das stumpfe.«
»Seit wann interessierst du dich für stumpfe Klingen?« Er schliff weiter, härter und schneller als nötig.
»Ich bin nicht hier, um mit dir zu streiten.«
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