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Magie der Schatten: Roman (German Edition)

Magie der Schatten: Roman (German Edition)

Titel: Magie der Schatten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Lisowsky
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den Kontinent durchquert zu haben. Von den Türmen der Akademie Wolkenfels aus ließ sich an klaren Sommertagen das Südmeer beobachten, und von Steinheim aus lag die nördliche Küste nur wenige Meilen entfernt.
    Vorräte für die ganze Reise konnten sie nicht anhäufen, also kaufte er nur das Nötigste, mit dem sie es einige Tage bis zur nächsten Ortschaft schaffen würden. Wochen würde die Reise dauern, denn für Pferde hatten sie kein Geld, und mit Fremden mitzureisen, erschien ihm als zu großes Wagnis. Wer wusste noch alles von Eikyuuno ? Möglicherweise mehr Menschen, als er dachte. Der schwachsinnig gewordene Ariman konnte ihn nicht mehr als Dieb entlarven, aber vielleicht gab es andere, die hinter dem Buch her waren. Vor allem jetzt, da es wieder zusammengefügt worden war. Auch von Brigantengruppen, die sich als Reisebegleiter ausgaben und dann bei genügender Distanz zur Zivilisation ihr wahres Gesicht zeigten, hatte er gehört. In solche Hände durfte das Buch nicht fallen. Nein, es durfte in niemandes Hände fallen.
    Als sie aufbrachen, fiel der erste Schnee des Jahres in winzigen Flocken, die auf der Haut sofort schmolzen und sich in Wassertropfen verwandelten. Doch sie wanderten mitten in den Winter hinein, und noch vor dem Ende ihrer Reise würde er wahrscheinlich die Wälder mit seinem Weiß überzogen haben. Wie lange würden sie brauchen? Einen Monat? Zwei? Außerdem war da noch die Frage, wie lange er für die Entschlüsselung der Formel benötigen würde.
    Abends bauten sie gemeinsam das Zelt neben der Straße auf, aber nur Lenia legte sich hinein. Nairod saß die ersten Stunden der Nacht draußen in der Kälte über dem Buch, neben sich eine Laterne. Auch im Zelt brannte noch lange Licht, und er bildete sich ein, das Umblättern von Seiten zu hören.
    Vor Beginn dieser Reise hätten sie zusammen lesen können. Es hätte nur eine Laterne gebraucht, und sie hätten es beide warm gehabt. Aber damals hätten sie auch noch reden können. Jetzt war er froh über seinen Platz draußen. Obwohl sein Verstand schon längst müde war, wartete er, bis im Zelt das Licht erlosch, und dann noch einmal eine halbe Stunde, bevor er sich hineinschlich.
    ***
    Die Entschlüsselung der Formel ging schleppend voran. Wenn er hier eine Verknüpfung erschloss, tat sich da eine neue auf, die er enträtseln musste. Das brachte ihn im Prozess voran, aber es zeigte ihm auch auf, wie endlos diese Suche werden könnte. Die Teile, die er erschloss, ergaben auch für sich allein keinen Sinn, sondern nur im Zusammenhang mit anderen Teilen – Teilen, die er erst noch entdecken musste. So stolperte er über wirre Zahlenfolgen und Stücke von Skizzen, die Teile eines bizarren Stückwerks waren. Manchmal saß er abends da, bis der Schnee ihn wie eine Statue bedeckte, und wenn dann noch Wanderer des Weges kamen, erntete er verwunderte Blicke. Sein Körper protestierte erst, wenn er ins Zelt ging, mit Zittern, Zähneklappern und tauben Zehen und Fingern. An manchen Tagen kam auch Fieber dazu, aber das wärmte ihn nur von innen.
    Sax verschwand nach Anbruch der Dunkelheit meist im Zelt, wo sich auch Lenia aufhielt. Manchmal fragte Nairod sich, ob die beiden miteinander sprachen. Aber wahrscheinlich herrschte Schweigen – so, wie wenn er selbst bei Lenia im Zelt war.
    Aber er bekam ohnehin nichts mehr mit, wenn er erst das Buch in der Hand hielt.
    Auf der Suche nach der Zauberformel traf er auch die stumme Begleiterin des Glasknochenmanns wieder. Er hatte sie völlig vergessen, aber jetzt tauchte sie wieder auf. Sie goss Flüssigkeiten in den gläsernen Kolben und schrieb seitenlange Passagen aus Büchern ab. So wie er.
    Und im Gegensatz zum Glasknochenmann, der nur eine namenlose Gestalt war, wusste Nairod, wie sie hieß. Nama . Woher er das wusste, konnte er nicht mehr zurückverfolgen. Aber so war das Buch. Es gab Wissen weiter, und später konnte er stundenlang nach der Zeile suchen, aus der es stammte, fand sie aber nicht mehr.
    Nama verschwand irgendwann. Nairod musste zurückblättern, um die Stelle zu bemerken, an der das geschah. Aber dann traf es ihn mit aller Härte. Sie war tot. Obwohl sie jünger gewesen war als der Glasknochenmann. Das Buch erzählte nur am Rande von der Totenmesse, bei der der Glasknochenmann, klein und schwach, wie er war, in der hintersten Reihe saß.
    Das war alles. Damit verschwand Nama aus der Geschichte, und der Glasknochenmann setzte seine Forschungen allein fort.
    Es war, als fehlte ein Stück

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