Magie der Schatten: Roman (German Edition)
sie völlig unter den schwarzen Armen, nur noch die Blitze zuckten träge zwischen Händen und Körper, und schließlich erstarb auch dieses Zucken.
Die Schatten senkten sich wie Nebel zurück auf den Boden. Zerdrückte Klauen und eine zusammengequetschte Rüstung fielen in den Schnee, kaum mehr als drei unterschiedlich große Metallklumpen.
Nairod entspannte sich.
In einer Fensteröffnung der Ruine bewegte sich etwas Kleines, nicht größer als sein Unterarm.
»Nairod«, rief eine helle Stimme.
Er stapfte durch den Schnee auf das Fenster zu. Das kleine Etwas bekam annähernd menschliche Umrisse. »Ah, du. Ist Lenia in Sicherheit?«
»Nairod«, rief Sax nur wieder, die Hände zu einem Trichter um den Mund geformt. »Nairod, hinter dir!«
Er drehte sich um.
Eine Schlange. Eine riesenhafte Schlange.
Ihr Kopf ragte über das Gebäude hinaus und blickte durch die zerstörte Decke hinein. Der Kopf hatte die Größe eines Karrens und der Körper die Dicke mehrerer Pferdeleiber. Die Haut glänzte kupfern, und über den Rücken zog sich ein goldenes Muster. Im Nacken lag der Mantel, den Ariman getragen hatte. Er segelte hinab, als die Schlange den Kopf zurückwarf. Eine Zunge vom Umfang eines Taus zischte zwischen den Reptilienkiefern hervor.
»O du großer …«
Nairod sprintete zur Fensteröffnung und warf sich hindurch. Sax’ Ärmchen krallten sich in seine Schulter. Hinter ihm erklang ein mächtiges Dröhnen, und Schneemassen flogen an ihm vorbei. Er kam draußen im Schnee auf und rollte sich ab. Für einen winzigen Augenblick sah er durch das Fenster den schneebedeckten Unterkiefer der Schlange und ein goldenes Auge mit schwarzer, senkrecht stehender Pupille.
Vor ihm erhob sich der mächtige Wachturm. Er lief, so schnell er konnte, und tauchte in den Eingang ab. An die gegenüberliegende Wand unterhalb der Treppe gepresst, verharrte er. Sein Herz pochte laut.
»Was … war denn das? Zum Teufel!«
Sax hing nur noch mit einem Arm an seiner Schulter und kletterte jetzt mühsam wieder hinauf. »Ariman«, keuchte er.
»Das weiß ich selbst. Ich wusste nur nicht, dass ein Wandler sich in ein Tier verwandeln kann, das überhaupt nicht existiert.«
»In dieser Größe zumindest nicht. Er muss einige Macht für diese Verwandlung aufgewandt haben, oder Kristalle.«
»O ja, das hat er. Kiloweise«, sagte Nairod.
»Kiloweise?«
»Was ist mit Lenia?«
»Ich habe ihr gesagt, sie soll sich nicht vom Fleck rühren, damit sie kein Aufsehen erregt.«
Nairod stand vorsichtig wieder auf. »Das wird im Moment das Beste für sie sein. Ich fürchte auch eigentlich eher um uns.«
Er schlich sich an der Wand entlang zurück zum Eingang. Draußen zog sich eine mächtige Schneise durch den Schnee, wo sich der Schlangenkörper entlangbewegt hatte. Der Schnee knirschte noch immer von der Bewegung des Riesen. Nairod schloss die Augen. In welcher Richtung befand sich Ariman?
»Vielleicht sehen wir durch die Löcher in der Wand etwas mehr«, flüsterte er Sax zu.
Mit vorsichtigen Schritten nahm er die Stufen der Treppe, bis er am ersten Durchbruch ankam. Im Schneegestöber draußen setzte sich die Spur fort. Nairod schlich sich am Loch vorbei, um einen anderen Blickwinkel zu bekommen. Ein bronzenes Aufblitzen draußen im Schnee. Er sprang zur Seite. Steine splitterten aus der Öffnung neben ihm, die Schnauze des Ungetüms bohrte sich hindurch und schnappte nach ihm. Geistesgegenwärtig schleuderte Nairod einen Bannzauber nach hinten. Ein kaum sichtbarer Schauer überlief die Schlange, und sie verharrte für einen Moment. Die Augen wiesen für einen Augenblick die runden Pupillen eines Menschen auf, und die Schuppen verloren ihren bronzenen Glanz. Im nächsten Augenblick verschwand die Veränderung wieder, und der Schlangenkopf bäumte sich erneut zum Angriff auf.
Nairod rannte die Treppe hinauf. Die Stufen unter ihm bröckelten und brachen unter den zuschnappenden Schlangenkiefern, und die Zähne durchschlugen den Stein wie morsches Holz. Die Schlange presste ihren Körper durch die Öffnung in der Wand. Sie kroch die Treppe unter ihm entlang, knirschenden Stein unter sich. Nairod rannte bis zum nächsten Durchbruch in der Wand, unter dem ein Stück der Treppe fehlte. Auf dem Weg hinab war er dort gestolpert, und der Stein war zu einer spitzen Form zerbrochen, die im Schatten des Turms nahezu verschwand.
Den Schlangenkörper dicht hinter sich, sprang er auf die andere Seite der Treppe und landete auf den Knien. Die
Weitere Kostenlose Bücher