Magie der Schatten: Roman (German Edition)
jedem Schritt, den er auf den Turm zu machte. Am Eingang angekommen, musste er sich abstützen.
Die Steinmassen ragten hoch bis zum ersten Wanddurchbruch. Steinstaub lag als feiner Nebel in der Luft. Von bronzenen Schuppen keine Spur. Aber der Schlangenkörper hätte auch keinen Platz mehr gehabt hier. Den Raum, den die Trümmer jetzt einnahmen, hätte der Schlangenleib allein benötigt.
»Im Tod nimmt ein Wandler wieder seine gewöhnliche Gestalt an«, sagte Sax.
»Man kann ihm nicht vorwerfen, dass er aufgegeben hätte. Verdammt, was für eine Bestie! Mit so einem Ding habe ich nicht gerechnet.« Nairod drehte sich kopfschüttelnd um. »Aber ich habe auch nicht mit diesem Schattenwesen gerechnet. Bin das wirklich ich gewesen?«
Sax lachte. »Also, ich habe keine magischen Kräfte mehr, und Ariman … er hat seine ebenfalls aufgegeben, für die Dauer der Verwandlung. Die Schattenmagie ist mächtig. Und sie scheint dich erwählt zu haben.«
»Was soll das heißen, mich erwählt ? Magie wird einem in die Wiege gelegt oder eben nicht.«
»Die Schatten haben sich auf deine Seite geschlagen, so viel habe ich gesehen.«
Nairod schloss seinen Mantel und klopfte den Schnee ab. »Lass uns nach dem Buch sehen. Es ist bei Lenia.«
***
Die kleine Häuserruine, in der sie Lenia zurückgelassen hatten, war eine der wenigen mit Dach. Im Innern herrschte Dunkelheit, und es lag kein Schnee. In einer Ecke des Raums lehnte Nairods Rucksack.
»Lenia?«, rief er. Von den Innenwänden der Zimmer standen nur noch zerbröckelte Erinnerungen, so dass es im Haus keinen Ort gab, an dem man sich hätte verstecken können.
Nairod grub in seinem Rucksack. Töpfe schepperten, er wühlte sich durch die Ersatzhemden, und irgendwann stieß er auf den Stoffboden des Rucksacks. Es konnte doch nicht sein, dass … Er grub hastig weiter.
»Wo ist das Buch? Sax?«
»Ich sehe es nicht. Lenia sollte darauf aufpassen.«
Fieberhaft grub Nairod weiter. In seiner Brust zog und zerrte es. Er berührte nur immer wieder all die Sachen, die er schon in der Hand gehabt hatte. Seine Aufzeichnungen fand er, aber ohne das Buch mit den restlichen Hinweisen verloren sie jeglichen Wert. Schließlich warf er den Rucksack gegen die Wand.
Sein Herz pochte. Er sah sich um. »Und wo ist Lenia? Soll das ein Scherz sein? Wenn ja, ha-ha, ich lache, und jetzt komm raus!«
»Ihre Sachen sind auch weg, wenn mich nicht alles täuscht.«
Der Gedanke traf ihn wie ein Blitz. Er musste sich an der Wand abstützen. Heiß und schmerzhaft durchlief es ihn, als habe jemand ihm kochendes Gift in die Adern gegossen. »Erinnerst du dich noch, was du vorhin gesagt hast? Dass Lenia vorhaben könnte, den Drachen zu töten, um mich aufzuhalten?«
Sax brummte zustimmend.
Nairod schnaubte. »Zu schade, dass sie nicht wie du das Naheliegende übersehen hat. Sie muss nicht auf den Drachen warten, um alles zu ruinieren.«
»Sondern?«
»Das Buch, Sax! Sie nimmt einfach das Buch mit sich und zerstört es.«
»Ja, da könntest du wirklich recht haben.« Sax rutschte an seinem Ärmel herunter und sprang auf die Erde.
»Ich bin naiv gewesen.« Nairod schüttelte den Kopf über sich selbst und seine eigene Dummheit. »Du hast recht gehabt. Aber ich wollte ja nicht hören. Und während ich mir mit dem mächtigsten Magier, den ich je kennengelernt habe, einen Kampf auf Leben und Tod um das Buch liefere, nimmt Lenia es einfach mit. Diese wahnsinnige Schlacht kann doch nicht umsonst gewesen sein!«
Sax trippelte über den Boden nahe dem Hinterausgang. »Hör auf, dich zu bemitleiden. Es ist noch nicht zu spät. Wir haben hier einige schöne Fußspuren. Hat der Schnee nicht auch sein Gutes?«
Das Feuer kehrte in Nairod zurück. »Fußspuren?« Er warf sich den Rucksack auf den Rücken. »Wir müssen hinterher. Der Kampf hat nicht ewig gedauert, also kann sie noch nicht weit sein.«
Im Schnee waren die Fußspuren deutlich zu sehen. Nairod verglich sie mit denen, die durch den Vordereingang hineinführten. Ein breiteres und ein schmaleres Paar. Er drückte seine Schuhe in den Schnee und erkannte die breiteren Spuren. Leicht zu erraten, von wem die schmaleren stammten.
Der Wind wehte bereits Schnee darüber, also folgte Nairod ihnen im Laufschritt.
Die Abdrücke lagen so weit auseinander, dass der Urheber gerannt sein musste. Die Fährte machte erst einige Biegungen um Ruinen und Trümmer herum, dann lief sie gerade weiter und steuerte auf den Tannenwald im Osten zu. Die Nadelbäume
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