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Magie der Schatten: Roman (German Edition)

Magie der Schatten: Roman (German Edition)

Titel: Magie der Schatten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Lisowsky
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den Zorn, den er empfand. Raigar nahm es hin mit einem Lächeln.
    ***
    Der Tod mochte ihnen immer noch folgen – aber hier konnte er nichts mehr ausrichten. Nicht in der Leere, in die sie sich hineinbewegten.
    Sie reisten auf einer endlosen, schwarzen Fläche, aus der immer wieder Felsnadeln und Steinspitzen ragten. Wenn hier Pflanzen wuchsen, dann waren es blattlose Baumgerippe oder Gräser, die aussahen wie schwarz verbrannte Nadeln, hervorgebrochen aus Felsspalten oder seltenen Flecken dunkler Erde. Sogar der Stein schien kein Stein zu sein, sondern etwas anderes, Dunkleres.
    Raigar mühte sich, nicht darüber nachzudenken, aber die langen Nächte zwangen ihn dazu. In der ersten Woche hatte es noch die ferne Felserhebung im Westen gegeben, auf der Zweibrück stand. Danach nur noch die Erinnerung daran. Dafür veränderte sich die Ebene: Felsspalten, die in bodenlose Abgründe führten, teilten die Wege. Die Flüsse, auf die sie trafen, waren schwarz und finster von dem schwarzen Stein, über den sie flossen.
    Als ihre Wasservorräte zur Neige gingen, tranken sie von dem dunklen Wasser, das trotz der sinkenden Temperaturen nicht gefror. Es unterschied sich nicht von gewöhnlichem Wasser und schmeckte nach dunklem Nichts. Vielleicht schmeckte wirkliches Quellwasser anders, aber die Erinnerung daran verging mit den letzten Reserven.
    Vielleicht wanderten sie schon Jahre durch diese Landschaft aus Schatten – dabei war Schattenland die wohl unpassendste Bezeichnung, die es gab. Denn Schatten konnten sich hier nicht bilden, wo die Landschaft aus dem Gegenteil von Licht bestand und die Sonne vergeblich strahlte. So etwas musste einem wohl auffallen, wenn man wochenlang nichts zu tun und zu reden hatte. Ein kläglicher Rettungsversuch vor dem Wahnsinn, der irgendwann kommen musste, hier, wo es kein Leben gab außer dem eigenen und keine Geräusche außer denen, die man selbst erzeugte.
    Selten zeigten sich Tiere, und es waren keine, auf die diese Bezeichnung passte. Vögel kreisten über ihnen, deren Gefieder in der Sonne wie Metall glänzte. Durch die Felsspalten krochen Schlangen aus Dunkelheit, und nachts hallte manchmal kehliges Bellen über die Ebenen, das Raigar das Blut stocken ließ.
    Dann kamen die Städte.
    Die Umrisse waren weithin erkennbar, aber je näher man herankam, desto mehr musste man begreifen, dass es etwas gänzlich anderes war. Die Häuserruinen waren zerschmolzen zu wirren Skulpturen, und sie gossen sich über die schwarzen Andeutungen von Straßen. Keine Flamme konnte so heiß brennen. Was hier gewütet hatte, war nicht von dieser Welt.
    Er hatte Verwüstung gesehen – geschleifte Festungen, Berge von Toten, blutgetränkte Oasen –, aber nichts kam dem hier gleich, für das es keine Worte gab. Ich habe das Nichts gesehen , würden sie erzählen können, wenn sie wiederkamen. Wenn sie wiederkamen.
    Er zweifelte nicht daran, weil er dieses Land fürchtete, nein, er zweifelte, weil man, um wiederzukommen, zunächst irgendwo ankommen musste. Und die Tage und Nächte hatten bisher keinen Anlass zur Hoffnung gegeben. Sie liefen und liefen, aber die Umgebung schenkte ihnen keine Landmarken, an denen sie feststellen konnten, ob sie sich überhaupt bewegten. Sicher, die Sonne sagte ihnen, wo Westen lag, aber wie viel Distanz sie überwanden, das verriet sie ihnen nicht.
    Raigar wartete darauf, dass er wahnsinnig wurde.
    ***
    Sie rasteten an einem Felsüberhang. Raigar dachte an die erste Nacht außerhalb der Mauern von Weigrund. Wie die Söldner zusammengesessen und den Plan geschmiedet hatten, der sie jetzt hierhergebracht hatte …
    Ein Feuer brannte in einem Kreis kleiner Steine, und die Flammen brachten mit ihrem rötlichen Schein etwas willkommene Farbe in das dunkle Land.
    »Es ist ein ziemlicher Brocken.« Raigar drehte den Spieß über dem Feuer. Eine Kreatur aus Schwärze hing daran, halb Wolf, halb Echse, mit sechs Beinen, schuppiger Haut und einem dornenbesetzten Schwanz. Raigar hatte das Wesen mit bloßen Händen niederringen müssen. Ein Kinderspiel im Vergleich zu dem Flammenbeller, aber ungleich schauerlicher. Ja, auch Flammenbeller waren Wesen, die nicht existieren sollten, aber dieses hier …
    »Ich weiß nicht mehr, ob wir überhaupt hier sein sollten.« Elarides kauerte in einer Ecke.
    »Du nicht. Das weiß ich mit Sicherheit.« Raigar zog ein Messer aus seinem Reisesack hervor.
    »Kein Mensch sollte hier sein«, entgegnete Elarides. »Das will uns das Land jeden Tag sagen. Mit

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