Magie und Schicksal - 2
ist, den ich weggesperrt habe, aus Angst, dass niemand, der dieses Teils ansichtig wurde, der erkennt, wie ich wirklich bin, das Schicksal der Welt in meine Hände legen würde.
Noch während ich schlafe, ist mir klar, dass ich träume. Ich stehe in einem Kreis. Zwischen meinen Fingern fühle ich die Wärme von anderen Händen. Die Gestalten rechts und links von mir sind verhüllt und die Kapuzen ihrer Gewänder so weit ins Gesicht gezogen, dass die Züge darunter nur erahnt werden können.
Fremdartige Worte dringen aus meinem Mund. Angst und Erregung durchzucken meinen Körper, und mein eigenes Gewand flattert um meine Beine, als ein heißer Wind aus der Mitte des Kreises herbeifegt. Ich bin gezwungen, den Gesang zu unterbrechen, weil etwas die Grundfesten meines Seins erschüttert. Etwas tief in meinem Inneren erwacht und will sich von mir lösen. Aufschreiend lasse ich die Hände der Gestalten neben mir los, während gleichzeitig jemand aus weiter Ferne ruft: »Bewahre den Kreis!«
Aber ich kann nicht. Überwältigt von meiner eigenen Angst, meinem eigenen Schmerz zerstöre ich den Kreis. Ich taumele in die Mitte und sehe, wie sich die Hände, die ich losgelassen habe, umfassen. Die Gestalten rücken näher zusammen. Der Kreis schließt sich wieder.
Als ob ich niemals ein Teil davon gewesen wäre.
Das Ziehen und Zerren in meinem Inneren geht weiter, als würde mich jemand entzweireißen. Ich falle zu Boden, und der schwarze Himmel, an dem die alterslosen Sterne funkeln, wölbt sich über mir. Einen Moment lang spüre ich nichts mehr, doch dann umklammert etwas mein Handgelenk. Ich drehe den Kopf zur Seite und hebe die Hand, um das Zeichen zu betrachten.
Die Schlange.
Sie windet und schlängelt sich, taucht tiefer in meine Haut ein, bis es sich anfühlt, als ob sie das Fleisch an meinem Handgelenk wegfrisst.
Ich schreie auf, will, dass es aufhört, aber es geht weiter, immer weiter. Es brennt und brennt und brennt.
»Lia! Wach auf, Lia!«
Ich öffne die Augen und sehe Dimitri über mir stehen.
»Du hast im Schlaf geschrien.« Er schiebt mir das Haar aus der Stirn.
Die Finger meiner rechten Hand umklammern meine linke Hand wie ein Schraubstock. Ich lasse meine Hand los und hebe sie hoch, um das Zeichen in dem dämmrigen Licht zu betrachten, das im Inneren des Zelts herrscht. Es ist weder tiefer noch dunkler geworden. Ich glaube, noch immer das Brennen aus meinem Traum zu spüren, aber es ist wohl Einbildung.
Ich hole tief Atem und versuche, mein rasendes Herz zu beruhigen. Zu Dimitri gewandt, sage ich: »Es … es tut mir leid.«
»Es tut dir leid?« Ein Schatten legt sich über sein Gesicht. »Lia, du musst dich nicht entschuldigen. Niemals, hörst du?«
Wieder sehe ich den Kreis aus meinem Traum vor mir, die verhüllten Gestalten, höre meine eigene Stimme die Worte in einer fremden Sprache sprechen. »Ich hatte einen Albtraum.«
Sein Gesicht wird weich, und er lässt sich neben mir nieder, streckt sich aus und nimmt mich in den Arm, sodass mein Kopf an seiner Brust ruht.
»Erzähl mir davon«, sagt er. »Erzähl mir von deinem Albtraum.«
Die Stille zwischen uns liegt mir schwer auf dem Herzen, und ich denke an einen anderen Tag, an eine andere Gelegenheit, als ich gezwungen war, meine Ängste auszusprechen. Meine Angst vor den wilden und unberechenbaren Dingen, die hinter den hohen Mauern meines Bewusstseins wachsen und gedeihen. Alice hat recht. Wir beide haben Entscheidungen getroffen, die uns dorthin geführt haben, wo wir jetzt sind. James hat mir mehr als einmal die Gelegenheit gegeben, ihm alles zu sagen.
Aber ich habe ihm nicht vertraut. Ich habe seiner Liebe nicht vertraut.
Dimitri scheint mein Zögern zu verstehen. Leise murmelt er in mein Ohr: »Lia, ich liebe dich. Wir sprechen nicht oft davon, aber du sollst es wissen. Du kannst mir deine Ängste anvertrauen und ich werde dir die Last von den Schultern nehmen.«
Ich hole tief Luft, atme seinen Duft ein. Es ist der Duft von Altus. Der Duft der schönsten aller Anderswelten. Der Duft meiner Vergangenheit und meiner Zukunft. Er gibt mir Kraft, dem Mann neben mir in die Augen zu schauen und ihm alles zu erzählen.
Ich schildere ihm meine Albträume. Erzähle ihm von ihrer zunehmenden Häufigkeit. Von meiner Unfähigkeit,
Sonia zu vergeben oder auch nur einen Hauch meiner früheren Liebe für sie zu empfinden. Von der stetig abnehmenden Wärme des Schlangensteins. Ich erzähle ihm von Alices Besuch in Milthorpe Manor. Von
Weitere Kostenlose Bücher