Magie und Schicksal - 2
Schließlich stehen sie schon Jahrtausende hier.«
Er zieht ein Bündel aus seiner Satteltasche und steuert auf einen sonnigen Platz zu, ganz in der Nähe eines der grasbewachsenen Hügel, unter dem sich ein Grab befindet.
»Du bist ja eine echte Komikerin heute Morgen, Lia.« Er nickt anerkennend. »Das gefällt mir. Aber die Höhlen
sind doch nicht deine Überraschung, du dummes Mädchen. «
Mit dem Arm beschreibe ich einen Bogen und betrachte noch einmal die großartige Landschaft. »Nun, das zu übertreffen, scheint mir unmöglich. Aber ich bin bereit, mich vom Gegenteil überzeugen zu lassen.«
Er schüttelt ein kleines Bündel aus, und ich sehe, dass es eine beige-grün karierte Wolldecke ist. »Nun, es schmerzt mich, es zugeben zu müssen, aber du hast vermutlich recht. Meine Überraschung wird im Vergleich mit diesem herrlichen Morgen an diesem herrlichen Ort schier verblassen. «
Ich gehe zu ihm, stelle mich auf die Zehenspitzen und küsse ihn. »Unsinn! Du hast mich hierher geschleppt, noch dazu ohne Frühstück! Ich verlange meine Überraschung.«
Er seufzt in gespielter Resignation. »Also schön. Ich werde mir Mühe geben, deine Erwartungen nicht zu enttäuschen. «
Er greift in eine Ledertasche und zieht etliche in Tücher gewickelte Päckchen heraus. Ich knie mich auf die Decke, während er gekochte Eier auswickelt, frisches Brot, Käse, Äpfel und ein kleinen Tontopf mit Honig.
Er betrachtet die Gegenstände, rückt den Honigtopf ein wenig nach links und die Eier ein Stück nach rechts. Dann sagt er: »Jetzt lass uns essen.«
Ich strecke die Arme vor und nehme sein Gesicht in meine Hände. »Es ist fantastisch«, sage ich und küsse ihn. »Vielen Dank.«
Er schaut mir in die Augen, lächelt und nimmt sich dann etwas Brot. »Ich war nicht versessen darauf, die Erfahrung des gestrigen Abendessens zu wiederholen und eine Mahlzeit in diesem bedrückenden Salon einzunehmen. Besonders nicht an unserem ersten Tag hier in Loughcrew.
Ich seufze und nehme das Brot, das er mir reicht. Dann greife ich nach dem Honigtopf. »Eine kluge Entscheidung. « Ich träufle Honig auf das Brot und beiße hinein. Es ist anders als alles Brot, was ich bislang gegessen habe – trocken und krümelig und voller Butter. »Also gut. Wo fangen wir an?«
»Ich würde vorschlagen, dass wir uns erst einmal mit der Umgebung vertraut machen. Es ist schwierig, sich zurechtzufinden, wenn man sich nur auf die Karte verlässt.«
Ich nicke und schneide mir ein Stück Käse ab. »Ja, und es wäre hilfreich, wenn wir herausfänden, ob es mit irgendeiner der Höhlen eine besondere Bewandtnis hat. Wenn der Stein hier ist, wird er gewiss an einem Ort aufbewahrt, der sich irgendwie von den anderen unterscheidet. Wie die fehlende Seite der Prophezeiung, die in der Krypta von Chartres versteckt war.«
»Das ist auch meine Vermutung, obwohl ich bislang nichts gefunden habe. Allerdings blieb mir für Nachforschungen auch nicht viel Zeit, ehe wir aufgebrochen sind. Ich habe Victor gefragt, aber er hat mich wissen lassen, dass dieser Ort – wie viele andere seiner Art in England und Irland – lange Zeit dem Verfall preisgegeben wurde.«
Er beißt in einen Apfel. »Und daher sind sie wohl auch lange nicht mehr erforscht worden.«
Ich seufze und unterdrücke den Ärger, der in mir aufzusteigen droht. Dafür ist es nun wirklich viel zu früh. »Nun gut, dann fangen wir am besten gleich mit der Suche an.«
Dimitri nickt und springt auf die Füße. »Sehr richtig.«
Wir wickeln die Reste unseres Frühstücks ein und stecken alles wieder in Dimitris Satteltaschen. Dann steigen wir auf unsere Pferde. Die Anlage ist groß, und es dauert den ganzen Morgen bis in den frühen Nachmittag hinein, bis wir sie ganz abgeritten sind. Wir betreten keins der Gräber. Noch nicht. Den heutigen Tag wollen wir zur Orientierung nutzen. Von Zeit zu Zeit zügeln wir die Pferde und ich beschreibe Dimitri die Struktur und das Aussehen der Hügel und Höhlen, damit er die Angaben notieren kann. Wir werden sie später noch brauchen. Keiner von uns weiß, ob die äußere Erscheinung der Hügel irgendeine Bedeutung hat, aber alles, was ein Grab vom anderen unterscheidet, könnte sich als hilfreich erweisen.
Als wir zum Haus des Verwalters zurückkehren, nimmt das Licht schon einen bläulich grauen Schimmer an, der den Anbruch des Abends verkündet. Obwohl wir heute noch nichts entdeckt haben, sind wir einen wichtigen Schritt weitergekommen in unserer Suche nach
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