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Magie und Schicksal - 2

Magie und Schicksal - 2

Titel: Magie und Schicksal - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Zink
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mich wie früher, wenn auch mit mehr Zartheit als bisher. Ängstlich suche ich in ihren Augen nach Anzeichen des Ärgers und der Ablehnung. Immerhin waren es meine Taten, die dafür sorgten, dass wir in Zelten schlafen müssen, durch die der Regen tropft. Meine Taten, die unser Essen beschmutzt oder ungenießbar gemacht haben.
    Aber sie bringen mir nichts als Zuneigung und Freundlichkeit entgegen. Ihre Großherzigkeit lässt meine Schwäche nur noch erbärmlicher wirken, und ich verbringe viel Zeit damit, mich selbst zu verachten und meine zahllosen Fehler zu bereuen.
    Mit der Zeit legt sich eine tröstende Gleichgültigkeit über mein Gemüt. Zum ersten Mal, seit das Mal der Prophezeiung auf meinem Handgelenk erschienen ist, gibt es Stunden – sogar Tage –, in denen ich nicht die Kraft habe, mir über die Zukunft Sorgen zu machen. Dann glaube
ich fast, dass es mir egal wäre, ob Samael unsere Welt mit Dunkelheit überzieht oder ob es mir gelingt, ihn auf ewig zu verbannen.
    Es scheint kaum noch eine Rolle zu spielen, wie es endet. Hauptsache, es hat ein Ende.
    Ich denke, es gelingt mir ganz gut, meine wachsende Teilnahmslosigkeit hinter belanglosen Gesprächen und einem gezwungenen Lächeln zu verbergen, aber sicher bin ich mir nicht. Ich traue meiner Wahrnehmung nicht mehr über den Weg. Es ist durchaus möglich, dass Brigid, Dimitri und Gareth meinen Mangel an Entschlossenheit bereits bemerkt haben. Aber sogar das ist mir egal. Ich habe mich in mein Schicksal ergeben, was auch immer es für mich bereithalten mag.
    In der Regel bin ich noch wach, wenn Brigid schon längst eingeschlafen ist und Gareth seinen Posten auf der anderen Seite des Lagers bezogen hat. So auch an diesem Abend. Ich kann den Schlaf nicht ewig fernhalten. Aber jede Stunde, die ich in der Wärme des Lagerfeuers verbringe, eine weiche Decke um die Schultern, ist eine Stunde weniger auf der Flucht vor den Seelen. Mit einem erschreckend leeren Geist starre ich in die Flammen.
    »Hier. Trink das.« Dimitri taucht am Rande meines Blickfeldes auf und reicht mir eine dampfende Teetasse. Er lässt sich neben mir auf dem Boden nieder. »Es wird dir helfen, einzuschlafen.«
    Ich nehme die Tasse, aber ich trinke nicht. »Ich will nicht schlafen.«

    Dimitri seufzt. Es ist ein schweres, erschöpftes Seufzen, und ich bedaure es, der Grund für seine Sorge zu sein. »Lia, du musst. Du hast noch so viel Arbeit vor dir und du musst stark sein.«
    Ich werfe ihm einen bösen Blick zu. »Ich bin stark.«
    Er nimmt meine Hand und sagt mit leiser und trauriger Stimme: »Ich versuche nur, für dich zu sorgen, da es dir im Augenblick schwerfällt, das selbst zu tun.«
    Eine Woge aus Jammer schlägt über mir zusammen. Mir wird die Kehle eng und ich drücke Dimitris Hand. »Es tut mir leid. Es ist nur…«
    Ich breche ab und starre ins Feuer. Trotzdem fühle ich seinen Blick auf mir ruhen. »Was wolltest du sagen?«
    Ich schaue ihn an. Am liebsten würde ich in der tiefen Schwärze seiner Augen versinken. »Ich habe Angst einzuschlafen. Meine Träume … sie ängstigen mich, Dimitri.«
    »Dann erzähle sie mir. Erzähle mir deine Träume, damit ich deine Last teilen kann.«
    Ich zögere nur eine Sekunde, ehe ich beschließe, ihm alles zu sagen.
    »Sie verfolgen mich«, flüstere ich so leise, dass ich mich unwillkürlich frage, ob ich überhaupt gesprochen habe.
    »Wer verfolgt dich?«
    Ich starre auf meine Teetasse, als ob das braune Gesöff darin es mir erleichtern würde, von den Dämonen zu sprechen, die mich in meinen Träumen verfolgen. »Die Seelen. Die Hunde. Samael. Alle zusammen.«
    Dimitris Finger verschränken sich mit meinen und lösen
meine Hand von der Tasse. Er nimmt sie, stellt sie auf den Boden und zieht mich in seine Arme, wobei er sein Kinn auf meinen Kopf legt.
    »Sind es Träume? Oder locken die Seelen dich in die Anderswelten, während du schläfst?«
    Ich vergrabe das Gesicht an seiner Brust. Sein Duft tröstet mich. Er riecht nach Holz und Rauch vom Lagerfeuer und nach der kühlen Frühlingsluft. »Ich glaube nicht, dass ich mit den Schwingen reise. Aber meine Träume scheinen gleichzeitig mehr zu sein als … Träume.«
    »Was meinst du?« Seine Stimme vibriert in seiner Brust unter meinem Ohr.
    »Schwer zu sagen. Ich habe nicht den Eindruck, mit den Schwingen zu reisen, aber gleichzeitig kommen mir die Seelen mit jedem Traum näher. Und irgendwie bin ich mir sicher, dass das so weitergeht, dass sie sich mir jeden Tag ein Stück mehr

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