Magie und Schicksal - 2
einfach an mir vorbeigegangen. Anfangs war ich überrascht, und dann sprach ich dich an, weil ich dachte, dass du etwas brauchst. Aber du hast keine Antwort gegeben. Du bist einfach in die Mitte des Lagers gegangen, hast die Arme gehoben, und dann erhob sich dieser heulende Wind.«
Einen Moment lang glaube ich, alles vor mir zu sehen, wie eine lange vergessene Erinnerung. Dann ist es vorbei.
Ich denke an die früheren Ereignisse, versuche, mich an irgendetwas zu erinnern, und dann klammert sich mein Bewusstsein an einen winzigen Hoffnungsschimmer. Voller Erleichterung gebe ich mich der Gewissheit hin, unschuldig zu sein. »Aber die anderen Male haben Gareth und du Wache gestanden, und da habt ihr nicht gesehen, wie ich das Zelt verließ. In der Nacht, in der unsere Lebensmittel vernichtet wurden, warst du sogar bei mir und hast mich aus einem Albtraum geweckt, als Gareth Alarm geschlagen hat.«
Dimitri senkt den Kopf. Er lässt die Schultern hängen, als müsste er eine Niederlage eingestehen. »Du hast geträumt,
Lia. Ich glaube, das ist der Teil, auf den wir uns konzentrieren müssen. Du hast mir gesagt, dass deine Albträume schlimmer werden, dass du manchmal sogar nicht genau weißt, ob du überhaupt träumst.«
Ich schlucke die böse Vorahnung, die in mir aufsteigt, hinunter. »Ja, aber ob ich nun träumte oder nicht, sind wir uns doch wohl einig, dass ich nicht in der Mitte des Lagers stand und einen Sturm der Zerstörung heraufbeschwor, jedenfalls nicht in den vorherigen Nächten.«
Er seufzt. »Aber wenn du mit den Schwingen gereist bist, ist es doch möglich, dass die Seelen dich benutzt haben, nicht wahr? Dass sie deine Erschöpfung und deine Verzweiflung in eine Art geistigen Wutanfall umwandelten.«
Ich bin immer noch nicht bereit, mich der Realität zu stellen, die er mit seinen Worten heraufbeschwört. »Du sagtest doch …« Meine Stimme bricht, als mein Körper angesichts dieser Ungeheuerlichkeit anfängt zu zittern. »Du sagtest, dass die Seelen mich nicht gegen meinen Willen in die Anderswelten zwingen könnten.«
Ich wünschte, ich könnte das Schweigen einfrieren, dass jetzt folgt, denn ich weiß, dass mir das, was Dimitri zu sagen hat, nicht gefallen wird.
»Das können sie auch nicht.«
Ich hebe das Kinn und schaue ihn herausfordernd an. »Aber das müssen sie. Denn ich will nicht mit den Schwingen reisen.« Ich lache laut auf bei dieser Vorstellung, aber mein Lachen klingt schrill und falsch. »Ich vermeide es unter allen Umständen, wie du wohl weißt.«
Er schaut mich an. »Ich weiß, dass du es vermeidest, Lia. Aber ich habe dir schon oft gesagt, dass die Seelen mächtiger sind, als du es dir vorstellen kannst. Dass sie Mittel und Wege finden werden, dich ohne deine Einwilligung zu benutzen.«
Ich schaue an ihm vorbei zu den Zelten, die in Fetzen in der Mitte unseres Lagers liegen. »Ich habe nicht das Wissen, um eine solche Macht einzusetzen.«
»Doch«, sagt er. »Das hast du. Du bist eine Zauberin, wie Alice, und obwohl du die verbotene Kraft, die dir eigen ist, noch nicht perfektioniert hast, musst du gewusst haben, dass sie da ist. Alles, was nötig war, war ein Ansporn von einer Autorität, die keinen Widerspruch duldet. Wenn der richtige Köder ausgeworfen wurde, ist es durchaus vorstellbar, dass du all das getan hast – das Wasser verschüttet, das Essen vernichtet, die Zelte zerstört.«
»Du sagst, dass ich das war.« Ich wende mich ab. »Die ganze Zeit.«
Ich höre nicht, wie er aufsteht, aber einen Augenblick später liegen seine Hände warm auf meinen Schultern. »Nicht du. Nicht wirklich. Das warst genauso wenig du wie es Sonia war, damals, auf dem Weg nach Altus.«
Die Erwähnung von Sonia empört mich nur, anstatt meine Verunsicherung zu mildern. »Du vergleichst mich mit Sonia? Du vergleichst diesen… diesen Missbrauch meiner Macht mit ihrem bodenlosen Verrat ?«
Ärgerlich stößt er die Luft aus. »Warum machst du es uns allen so schwer? Was geschehen ist, wird nicht durch
dein Leugnen ungeschehen gemacht, Lia. Du musst den Tatsachen ins Auge sehen, wenn du auch nur die geringste Hoffnung haben willst, dagegen anzukämpfen.« Er wirft die Hände hoch und marschiert ein paar Schritte von mir weg. Dann kehrt er zurück. »Du willst, dass ich mich hinstelle und dir sage, dass du nicht unser Lager ramponiert hast? Dass es nicht deine Zauberkraft war, die unsere Packstücke auseinandergenommen und unser Essen und die Zelte zerstört hat? Nein, ich werde dich
Weitere Kostenlose Bücher