Magie und Schicksal - 2
besänftigend: »Ich weiß. Und es tut mir leid, dass meine Vergangenheit unsere noch junge Freundschaft belastet. Es tut mir ehrlich leid.«
Sie holt tief Luft und dreht sich ganz zu mir um. »Es ist nicht meine Schuld, dass ich erst jetzt zu euch gestoßen bin, nachdem ihr schon so viel erlebt habt. Ich verlange nur, dass ich eine faire Chance bekomme, mich zu beweisen, wie sie jede von euch hatte.«
Etwas Klares und Leuchtendes liegt in ihren Augen, und auf einmal zweifle ich nicht mehr an ihr.
Ich umarme sie fest. »Du hast recht, Brigid. Das schulde ich dir, und außerdem noch eine Bitte um Verzeihung. Bitte entschuldige, dass meine Erfahrungen mit der Prophezeiung
und den Seelen mich so zynisch und misstrauisch haben werden lassen.«
»Schon gut«, sagt sie. »Ich möchte nur, dass du mir glaubst.«
»Ich glaube dir. Wirklich.« Ich sage es und ich meine es auch. Dabei verkneife ich mir allerdings die Worte, die sich ungebeten in meine Gedanken schleichen.
Wenn du es nicht warst, wer dann? Und was bezweckt er damit?
Die Hunde sind so nah, dass ich sie riechen kann. Ich erinnere mich an ihren fremdartigen Geruch – diese Mischung aus nassem Fell und beißendem Schweiß – und ich weiß, dass sie mindestens so nah sind wie damals am Fluss, auf unserer Reise nach Altus, als Dimitri zu uns stieß, um mich sicher auf die Insel der Schwesternschaft zu geleiten.
Aber diesmal ist kein Dimitri da. Und auch kein Edmund.
Jetzt reite ich allein über die gefrorene Tundra des Abgrunds.
Nicht einmal mein Beutel, in dem sich Pfeil und Bogen und der Dolch meiner Mutter befinden, begleitet mich in diesem Traum.
Der Ritt über das Eis scheint sich ewig hinzuziehen. Das Hufgeklapper der Pferde, auf deren Rücken die Seelen reiten, schwillt in meinem Rücken an. Jeden Augenblick werden sie mich einholen, mich einkreisen und für immer in den Abgrund reißen.
Ich mache mich bereit, will mich schon in mein Schicksal ergeben, in die endlose Qual, die mich erwartet, als sich ein mächtiger Sturmwind erhebt. Er peitscht mir das Haar ins Gesicht und treibt Schneeflocken und Eiskristalle vor sich her, sodass ich kaum noch etwas sehen kann. Schrecken erfasst mich. Namenloser Schrecken – und noch etwas anderes.
Es ist eine Begeisterung, die ihren Ursprung tief in meinem Inneren hat. Das Gefühl entzündet ein Feuer, eine Macht, eine Kraft, wie ich sie lange nicht mehr gespürt habe. Die Weite des Abgrunds liegt vor mir, aber jetzt ist es ringsum still. Kein Hund knurrt, kein Hufgetrappel ist mehr zu hören. Alles ist verstummt, und zum ersten Mal seit dem Tod meines Vaters empfinde ich maßlosen Frieden.
Aber er ist nicht von Dauer. Denn gleich darauf dringt eine Stimme in meine schläfrigen und erschöpften Gedanken.
Ich will sie ausblenden. Will sie ignorieren. Ich habe so lange auf diesen Augenblick der Ruhe gewartet, und ich will ihn mir nicht verderben lassen, nicht einmal im Traum. Aber die Stimme ist genauso hartnäckig wie ich. Sie erlaubt mir keinen Augenblick der Einsamkeit, und dann bricht sie zu mir durch, bahnt sich ihren Weg in mein Bewusstsein, und ich vernehme Worte, die mir den Boden unter den Füßen wegziehen.
»Lia! Was um aller Welt hast du getan?«
27
I ch verstehe das nicht.«
Ich sitze mit Dimitri bei dem ersterbenden Lagerfeuer, immer noch schlaftrunken und nicht ganz bei Sinnen.
Gareth und Brigid versuchen, die Zelte zu reparieren. Ich dagegen habe noch nicht begriffen, was passiert ist.
Dimitri nimmt meine Hand. »Du standest vor dem Zelt, mit offenen Augen, und der Wind …« Er verstummt, und als ich ihm in die Augen schaue, sehe ich dort den Widerschein dessen, was er gesehen hat.
»Der Wind?«, wiederhole ich leise.
Er blinzelt, als würde er aus einer Trance erwachen. »Er … wirbelte um dich herum, peitschte die Bäume und zerriss die Zelte in Fetzen, zerstörte alles in seinem Weg.«
»Aber ich habe geschlafen «, beharre ich.
»Es schien mir etwas mehr zu sein als ein bloßer Schlaf.«
Ich fange an zu begreifen, wohin seine Worte mich führen wollen. Abrupt stehe ich auf und wende mich
vom Feuer ab. »Nein. Ich habe geschlafen. Ich habe geträumt. «
Seine Stimme klingt sanft, aber bestimmt. »Das glaube ich nicht, Lia.«
»Wenn es so ist, wie du sagst … Wenn ich vor dem Zelt war … Wie bin ich dort hingekommen?«, verlange ich zu wissen. »Du hast Wache gehalten. Du hast gesagt, dass du deinen Posten nicht verlassen würdest.«
»Das habe ich auch nicht. Du bist
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