Magie und Schicksal - 2
Moment Zeit, um sich zu sammeln, und bemühe mich, das Feuer in meinen eigenen Eingeweiden zum Erlöschen zu bringen und meinen Kopf von dem Nebel aus Leidenschaft und Verlangen zu klären.
Als sich Dimitris Atmung normalisiert hat, berühre ich sanft seinen Rücken.
»Es tut mir leid. Es ist schwer, sich nicht hinreißen zu lassen, nicht wahr?«
Er wendet sich zu mir, mit einem rätselhaften Ausdruck in den Augen. »Schwer ist gar kein Ausdruck. Es ist schier unmöglich, wenn ich in deiner Nähe bin, Lia.«
Ich lächle und fühle mich geschmeichelt angesichts der Anstrengung, die es ihn kostet, Abstand zu wahren.
»Ich möchte nicht, dass du aufstehst«, sage ich. »Glaubst du, du könntest die Kraft finden, dich einfach nur zu mir zu legen? Ohne … du weißt schon.«
Er streckt sich neben mir aus und legt seinen Kopf neben meinen auf das Kissen.
Mit einem schelmischen Grinsen fragt er: »Findest du denn die Kraft?«
Ich lache leise. »Ich versichere dir, dass es für mich genauso schwer ist wie für dich. Aber ich möchte jetzt einfach nicht mit meinen Gedanken allein sein.«
Sein Gesicht wird ernst und er streicht mir sanft über die Wange. »Und was für Gedanken sind das?«
Ich hole tief Atem. »Ich denke darüber nach, wie ich Alice von ihrem selbst gewählten Weg abbringen kann. Ich kann ein Gespräch mit ihr nicht mehr länger hinauszögern. Ich muss morgen mit ihr reden.«
Er legt den Kopf schräg. »So bald schon?«
»Es muss sein. Wir haben nur noch einen knappen Monat Zeit, und es gibt so viel zu tun, ehe wir überhaupt aufbrechen können. Außerdem: Welchen Unterschied macht es, ob ich morgen mit ihr spreche oder übermorgen oder am Tag danach? Ich will es hinter mich bringen.«
Er nickt. »Ich werde dich begleiten.«
Ich schaue ihm in die Augen und lächle zärtlich. »Das ist etwas, was ich alleine tun muss, Dimitri.« Ich hebe die Hand, um seinen Protest im Keim zu ersticken. »Ich weiß, dass du mich beschützen möchtest. Wirklich. Aber sie ist meine Schwester .«
Seine Augen verdunkeln sich und seine Kiefer mahlen. »Es ist zu gefährlich.«
»Nein, ist es nicht. Die nächste Schlacht müssen wir erst in Avebury ausfechten, und in den Anderswelten.« Ich streiche ihm die Sorgenfalten aus der Stirn. »Begreifst du denn nicht? Ich habe endlich herausgefunden, warum uns die Leibwache auf unserem Rückweg von Loughcrew nach London nicht verfolgt hat.«
Geduldig wartet er ab, bis ich weiterspreche.
»Samael weiß jetzt, dass ich keinen größeren Feind habe als mich selbst. Ohne den Schutz von Tante Abigails Schlangenstein bin ich so schwach und hilflos wie nie zuvor. Es gibt gar keinen Grund für Samael, seine Leibwache zu schicken. Nicht, wenn die berechtigte Hoffnung besteht, dass ich mich aus freien Stücken auf seine Seite schlage.«
Die Qual um meinetwillen beschattet seine Augen. Dann zieht er mich fest an sich und vergräbt sein Gesicht in meinem Haar. »Du wirst niemals zu ihnen gehören, Lia. Das werde ich nicht zulassen.«
Ich sage nichts, denn es ist nichts damit gewonnen, wenn ich die Worte ausspreche, die wie ein Nebel in meinem Kopf lauern: Wenn es nur an dir wäre, das zu entscheiden!
31
A m nächsten Morgen warte ich vor dem Savoy Hotel auf Alice. Aus Sorge, dass sie mich abweisen würde, habe ich meinen Besuch nicht angekündigt, und so stehe ich mit dem Rücken der steinernen Fassade des Hotels zugewandt und warte, bis sie herauskommt. Alice würde an einem so herrlichen Tag wie heute nicht drinnen bleiben. Der Frühling ist endlich in London eingekehrt und der Himmel erstrahlt in einem makellosen Blau.
Ich will mir meine Worte zurechtlegen, will einen Plan erdenken, mit dem ich Alice auf unsere Seite ziehen kann. Aber ich kann nichts weiter tun, als auf die Tür des Hotels zu starren. Das Herz klopft mir bis zum Hals, während ich auf meine Schwester warte.
Sie taucht kurz darauf auf, und ich drücke mich an die Hauswand, weil ich noch nicht gesehen werden will. Sie nickt dem Türsteher knapp zu, und ich muss wieder daran denken, dass Alice auf Menschen, die gesellschaftlich unter
ihr stehen, stets herabblickt. Ich frage mich, ob das auch James einschließt, einen einfachen Buchhändler.
Sie geht die Straße entlang und blickt weder nach rechts, noch nach links, das Kinn emporgereckt, fast rebellisch. Es ist ein merkwürdiges Gefühl, mein Ebenbild davongehen zu sehen, die bewundernden Blicke der Männer zu beobachten, und die misstrauischen und
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