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Magie und Schicksal - 2

Magie und Schicksal - 2

Titel: Magie und Schicksal - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Zink
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ihm an mir einfach nicht besonders viel lag, nicht wahr?« Ihre Stimme zittert. »Ich war einsam, Lia. Mutter war tot. Du hattest Vater und James. Henry hatte Edmund. Tante Virginia hat dich mit Argusaugen bewacht und ist mir stets mit Misstrauen begegnet, obwohl ich anfangs nicht wusste, warum das so war.«
    Ihre Worte wiegen schwer wie Blei. Sie hat recht. Diese Erkenntnis sticht mir wie ein Messer ins Herz: Ich bin mitschuldig an dem Weg, den Alice eingeschlagen hat. Hätte sie ihre Rolle als Wächter womöglich angenommen, wenn sie die Liebe erfahren hätte, nach der sie sich sehnte? Wäre sie vielleicht zu meiner Verbündeten geworden statt zu meiner Feindin?
    Ich kehre zu ihr zurück, setze mich neben sie auf die Bank, wende mich ihr zu und nehme ihre warme Hand in meine. »Ich habe nie bemerkt, dass du einsam warst. Du schienst mir immer so glücklich zu sein. So sorglos. Gespräche
über die Bibliothek oder über Bücher schienen dich zu langweilen, und nach einer Weile sprach ich einfach nicht mehr darüber.«
    »Ich wollte dich oder Vater nicht merken lassen, wie sehr ich gekränkt war. Ich wollte euch nicht wissen lassen, dass ihr die Macht hattet, mich glücklich oder unglücklich zu machen.« Sie zuckt die Schultern und schaut zur Seite. »Deshalb habe ich so getan, als ob es mir egal wäre.«
    »Es tut mir so leid, Alice. Es tut mir leid, dass ich dir Schmerz bereitet habe.« Diese Worte auszusprechen, fällt mir schwerer, als erwartet. Nicht, weil sie nicht wahr wären. Nein, es geht um Henry. Jede Ungerechtigkeit, alles Leid, das Alice jemals ertragen musste, erscheint mir im Licht dessen, was sie Henry antat, vollends gerechtfertigt.
    Aber ich spreche sie aus. Ich spreche sie aus, weil Alice ihrer bedarf, und ich spreche sie aus, weil ich muss, weil sie meine einzige Hoffnung sind.
    »Es spielt keine Rolle mehr.« Sie schluckt sichtbar, schluckt die Gefühle, die sie eben noch aufgewühlt haben, herunter.
    »Vielleicht nicht«, sage ich. »Aber können wir dann nicht die Vergangenheit hinter uns lassen? Können wir nicht zusammenarbeiten, um Samael auf immer und ewig zu verbannen, damit wir von vorne anfangen können? Damit du mit James von vorne anfangen kannst?«
    Langsam zieht sie ihre Hand aus meiner weg und legt sie wieder auf ihren Schoß. Ihre Augen blicken unverwandt auf das Wasser.

    »Das liegt nicht in meiner Macht«, sagt sie.
    Was für eine merkwürdige Behauptung! Nur mit Mühe unterdrücke ich meinen Ärger. »Aber selbstverständlich liegt es in deiner Macht, Alice! Du bist der Wächter. Wenn nicht in deiner, in wessen Macht sollte es sonst liegen?«
    »Bitte versuche zu verstehen, Lia.« Ihre Stimme scheint aus weiter Ferne zu kommen, und ich habe das deutliche Gefühl, dass sie mir entgleitet. Dass meine Gelegenheit vorbei ist. »Ich war immer die Verbündete der Seelen. War immer auf ihrer Seite. Immer.«
    In ihren Worten liegt eine Endgültigkeit, gegen die ich nicht ankomme.
    Mein Herz ist schwer, als ich einen letzten Versuch unternehme: »Also willst du uns wirklich nicht helfen? Willst nicht deine Rolle als Wächter akzeptieren, selbst wenn das bedeutet, dass du James verlierst?«
    Sie wendet sich mir zu. »Es tut mir leid, Lia, aber es ist zu spät. Ich wüsste nicht mehr, wer ich bin, wenn ich den Seelen nicht beistände. Sie sind ein Teil von mir geworden. Sie gehören zu meinem Leben. Ohne sie würde ich aufhören zu existieren.« Sie steht auf und betrachtet mich mit einem Ausdruck, in dem ich Trauer lesen kann, aber auch noch etwas anderes, Unbeschreibliches. »Es tut mir leid für dich, Lia. Ich wünsche dir Glück bei deinem Vorhaben. Ich fürchte, du wirst es brauchen können.«

32
    I ch reagiere nicht auf das sanfte Klopfen an meiner Tür, aber Dimitri tritt trotzdem ein. Schweigend durchquert er das Zimmer, setzt sich neben mich und nimmt mich zart in den Arm. Anfangs mache ich mich steif, aber es dauert nicht lange, da schmiege ich mich eng an ihn.
    Er streicht mir übers Haar und küsst mich auf den Scheitel. »Sie hat Nein gesagt?«
    Lange Zeit sage ich nichts, will die Wahrheit nicht eingestehen. Aber es nutzt ja nichts, und irgendwann nicke ich leicht.
    Ich fühle das Seufzen in seiner Brust. »Das tut mir leid.«
    Ich setze mich auf, ziehe die Knie an die Brust und schlinge die Arme darum. »Ich war naiv zu glauben, dass es so einfach wäre.«
    Er schüttelt den Kopf. »Nicht naiv – optimistisch. Es wäre dumm gewesen, es nicht zu versuchen.« Er zuckt mit

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