Magie
den grausamen.« Tessias Mutter sah ihren Mann an, und die Falte zwischen ihren Brauen kehrte zurück. »Ich wünschte, du müsstest nicht noch einmal dorthin gehen.«
Er lächelte grimmig. »Lord Dakon wird nicht zulassen, dass uns etwas zustößt.« Die Frau blickte zwischen ihm und Tessia hin und her. Die Falte auf ihrer Stirn vertiefte sich, und die Sorge in ihren Zügen verwandelte sich in Ärger. Schließlich wandte sie sich wieder dem Feuer zu, prüfte mit einer Fingerspitze
die Suppe und nickte vor sich hin. Sie nahm den Topf vom Herd und goss seinen Inhalt in zwei Becher. Tessia nahm beide entgegen und reichte einen ihrem Vater. Die Suppe war warm und köstlich, und sie spürte, dass sie mit jedem Schluck zunehmend schläfriger wurde. Ihrem Vater fielen die Augen zu.
»Und jetzt ab ins Bett, alle beide«, sagte ihre Mutter, sobald sie fertig waren. Keiner von ihnen erhob Einwände, als sie sie nach oben in ihre Zimmer schickte. Tessia vermochte es vor Müdigkeit kaum noch, sich ihr Nachtgewand überzustreifen. Sie schlüpfte unter die Laken und seufzte zufrieden. Aber bevor der Schlaf sie ganz umfing, ließen Stimmen sie wieder hochschrecken.
Sie kamen von der anderen Seite des Flurs. Aus dem Schlafzimmer ihrer Eltern. Eingedenk ihres Gespräches mit ihrem Vater am vergangenen Tag durchzuckte sie ein Stich der Furcht. Sie richtete sich auf und schwang die Füße auf den Boden.
Ihre Tür gab nur ein dünnes, leises Quietschen von sich, als sie sie öffnete. Es war viele Jahre her, dass sie das letzte Mal ein spätnächtliches Gespräch zwischen ihren Eltern belauscht hatte, und damals war sie noch ein Kind gewesen. Jetzt tappte sie leise und lautlos zu ihrer Tür hinüber und drückte ein Ohr an das Holz.
»Du willst sie doch auch«, sagte ihre Mutter.
»Natürlich. Aber ich würde das niemals von Tessia erwarten, wenn sie keine haben will«, erwiderte ihr Vater.
»Doch du wärest enttäuscht.«
»Und erleichtert. Es ist immer ein Risiko. Ich habe zu viele gesunde Frauen im Kindbett sterben sehen.«
»Es ist ein Risiko, das wir alle eingehen müssen. Aus Angst keine Kinder zu bekommen, ist falsch. Ja, es ist ein Risiko, aber der Lohn ist so groß. Sie könnte sich großes Glück verwehren. Und wer wird sich um sie kümmern, wenn sie alt ist?«
Stille folgte.
»Wenn sie einen Sohn hätte, könntest du den Jungen ausbilden«, fügte ihre Mutter hinzu.
»Dafür ist es zu spät. Wenn ich zu alt bin, um zu arbeiten, wäre der Junge noch immer zu jung und zu unerfahren, um die Verantwortung zu übernehmen.«
»Also bildest du stattdessen Tessia aus? Sie kann nicht an deine Stelle treten. Das weißt du.«
»Sie könnte es tun, wenn sie sich die Aufgabe mit einem anderen Heiler teilen würde. Sie könnte... Ich weiß nicht, wie ich es nennen soll... Sie könnte etwas zwischen einem Heiler und einer Geburtsmutter sein. Oder zumindest eine Gehilfin.«
Tessia hätte ihre Eltern gern unterbrochen, um ihnen zu sagen, dass sie mehr sein konnte als eine halbe Heilerin, aber sie bewahrte Stillschweigen. Wenn sie jetzt in den Raum platzte, nachdem sie offensichtlich gelauscht hatte, würde das wohl kaum dazu beitragen, die Meinung ihrer Mutter zu ändern.
»Du musst einen Jungen aus dem Dorf zu dir nehmen«, sagte ihre Mutter entschieden. »Und du musst aufhören, sie auszubilden. Das hat ihr unmögliche Ideen in den Kopf gesetzt. Solange sie weiter versucht, Heilerin zu werden, wird sie eine Ehe oder eine eigene Familie nicht einmal in Erwägung ziehen.«
»Es wird seine Zeit dauern, bis ich einen neuen Lehrling ausgebildet habe. In der Zwischenzeit werde ich Tessias Hilfe brauchen. Das Dorf wird immer größer, und es wird weiter wachsen. Bis ich diesen Jungen ausgebildet habe, werden wir vielleicht zwei Heiler hier brauchen. Tessia könnte ihre Arbeit fortsetzen - und vielleicht trotzdem heiraten.«
»Ihr Mann würde es nicht erlauben.«
»Das wird er vielleicht doch tun, wenn sie den richtigen Mann auswählte. Einen intelligenten Mann...«
»Einen Mann, der nichts auf Gerede gibt und dem es nichts ausmacht, mit der Tradition zu brechen. Wo, bitteschön, soll sie einen solchen Mann finden?«
Tessias Vater blieb lange still.
»Ich bin müde. Ich brauche Schlaf«, sagte er schließlich.
»Den brauchen wir beide. Ich war fast die ganze Nacht wach und habe mir Sorgen gemacht. Vor allem da Tessia im selben Haus war wie diese sachakanische Bestie.«
»Wir waren nicht in Gefahr. Lord Dakon ist ein guter
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