Magie
Sie hielten Wache, vermutete Tessia. Niemand wirkte überrascht, Lord Dakon zu sehen.
Eine Gestalt löste sich aus dem Schatten eines Zeltes und eilte auf sie zu.
»Lord Dakon.« Narvelans Stimme war so angespannt, dass Tessia einen Moment brauchte, um sie zu erkennen. Als er in den Lichtkreis trat, sah sie unverhohlene Trauer und Schuldgefühle in seinem Gesicht. »Es tut mir so leid. Ich bin gekommen, so schnell ich konnte, aber es war bereits zu spät.«
Dakon schwang sich aus dem Sattel. »Ihr habt alles getan, was Ihr tun konntet, mein Freund. Entschuldigt Euch nicht, wenn die Schuld nicht bei Euch liegt. Wenn überhaupt, ist es meine Schuld, dass ich die Gefahren nicht erkannt und bessere Vorkehrungen getroffen habe.«
»Wir waren uns der Gefahr bewusst, lange bevor ich Euch rekrutiert habe. Wir hätten eine Wache auf dem Pass postieren sollen. Wir hätten...«
»Und das hättet Ihr auch getan, hättet Ihr gewusst, das dies geschehen würde«, sagte Dakon entschieden. »Ihr habt es nicht gewusst. Verschwendet nicht Eure Energie und Euren klugen Verstand auf Reue. Wir können die Vergangenheit nicht ändern. Aber wir können aus ihr lernen - etwas, das wir vermutlich sehr schnell werden tun müssen.« Er drehte sich zu Werrin um, der absaß, während Dakon ihn vorstellte.
Tessia beobachtete Narvelan und war trotz ihrer Erschöpfung beeindruckt von dem jungen Magier. Das Schicksal Mandryns ging ihm offensichtlich sehr nahe. Schweigend nahm sie die Andeutungen in Dakons von Herzen kommender Antwort zur Kenntnis. Dakon hatte ihn »mein Freund« genannt. Was hatte er sonst noch gesagt? »… Eure Energie und Euren klugen Verstand«. Und Narvelan hatte gesagt: »… bevor ich Euch rekrutiert habe.«
Also war Narvelan derjenige gewesen, der Dakon in den Freundeskreis eingeführt hatte. Und er war klug. Sie prägte sich diese Informationen ein, über die sie nachdenken wollte, wenn sie nicht mehr so müde war, und zwang ihren schmerzenden Körper, vom Pferd zu rutschen und anschließend aufrecht stehen zu bleiben.
Das Gespräch der Magier wurde unterbrochen, als ein junger Mann aus dem Wald geritten kam und sich ihnen näherte.
»Lord Narvelan«, sagte er und blieb dicht vor dem Magier stehen.
Narvelan drehte sich zu dem jungen Mann um. »Ja, Rovin? Hast du sie gefunden?«
»Dek hat sie gefunden. Er hat drei von ihnen entdeckt, die in nördlicher Richtung unterwegs waren, und ist ihnen gefolgt. Im Hochtalwald hat er sie aus den Augen verloren. Sie sind zu Fuß gegangen und hatten keine Vorräte dabei, daher vermutet er, dass sie irgendwo dort oben lagern.«
»Ist Hannel zurückgekehrt?«
»Nein, aber...« Der junge Mann hielt inne und verzog das Gesicht. »Dek hat Garrels Leichnam gefunden. Er hatte keine tiefen Wunden, nur die Art von Schnitten, nach denen wir Ausschau halten sollten.«
Narvelan nickte mit grimmiger Miene. »Ich werde es seiner Familie sagen. Noch etwas?«
Der junge Mann schüttelte den Kopf.
»Dann geh und ruh dich ein wenig aus. Und danke.«
Rovin zog kurz die Schultern hoch, dann führte er sein Pferd davon. Narvelan seufzte.
»Nicht der erste Späher, den sie getötet haben«, erklärte er. »Also, möchtet ihr etwas zu essen? Wir reisen mit so leichtem Gepäck wie möglich, aber wir haben viele Dinge bei uns, die sich nicht lange halten werden und die wir geradeso gut verbrauchen können.«
»Das käme sehr gelegen. Wir haben seit dem Morgen nichts mehr gegessen«, antwortete Dakon.
Auf Narvelans Befehl kamen zwei Männer aus dem Lager, um sich um die Pferde zu kümmern. Tessia bat den Mann, der ihr Pferd nahm, die Tasche ihres Vaters mit Vorsicht zu behandeln. Dann folgte sie den Magiern zu einem der Feuer, vor dem Betten ausgebreitet lagen. Kaltes, verkohltes Fleisch, leicht altbackenes Brot und frisches Gemüse wurde vor sie hingestellt - ein schlichtes, aber willkommenes Mahl. Tessia ertappte sich dabei, dass ihre Gedanken abschweiften, während die Magier miteinander redeten: Dakon über die Reise und darüber, dass der Sohn des Schmiedes sich weigerte, Mandryn zu verlassen; Narvelan darüber, was er auf die Karren hatte laden lassen und was nicht, und dass er den Dorfbewohnern strenge Ermahnungen
gegeben hatte, was und wie viel sie mitnehmen durften.
Ihre Gedanken wanderten zurück zu den zwei Gräbern. Ich konnte sie im Tod nicht einmal sehen , dachte sie. Nicht dass es erfreulich gewesen wäre. Es ist nur... Als ich sie das letzte Mal sah, waren sie gesund und
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