Magie
sich dabei, dass sie wieder einmal im Raum auf und ab ging, und blieb stehen. Sie ballte die Fäuste und drehte sich zu Vora um.
»Wie lange werde ich hier noch eingepfercht sein? Jetzt sind es zwei Wochen! Und ich habe meinen Vater nur ein einziges Mal gesehen, an dem Abend, an dem er seine Gäste bewirtet hat. Warum kommt er nicht zu mir oder erlaubt mir, ihn zu besuchen?« Interessiert es ihn denn überhaupt nicht, wie es mir geht, hätte sie gern hinzugefügt. Liegt ihm nichts daran, ein wenig Zeit mit mir zu verbringen? Herauszufinden, ob ich irgendetwas für meinen zukünftigen Ehemann empfunden habe - zum Beispiel Hass oder Gleichgültigkeit?
Vora zuckte die Achseln. »Nach dem, was ich von den Sklaven gehört habe, hat Meister Sokaro viel zu tun. Eine Fracht, die nach Elyne geschickt wurde, ist verschwunden. Die Probleme, für die die Ichani in Kyralia sorgen, haben ihn in Elyne einige Käufer gekostet.«
Stara starrte die Sklavin an. »Mutter hat eine Lieferung und Kunden verloren? Weißt du, wie schlimm es ist?«
»Das ist alles, was ich gehört habe. Abgesehen davon, dass Euer Vater versucht, Geschäfte hier abzuschließen, um seinen Verlust dort wettzumachen.«
»Seinen Verlust?« Stara rümpfte die Nase. »Meine Mutter macht die ganze Arbeit in Elyne.« Wieder lief sie im Raum auf und ab. »Wenn er doch nur mit mir reden würde. Die Unwissenheit ist es, die mich in den Wahnsinn treibt!« Sie blieb stehen, sah sich im Raum um und runzelte finster die Stirn. »Ich bin dieser immer gleichen Wände müde. Wenn ich ihn nicht
sehen kann, werde ich ausgehen. Gibt es einen Markt in der Stadt?« Sie brach ab. »Natürlich gibt es einen. Selbst wenn ich keine Münze habe, die ich ausgeben könnte, kann ich zumindest in Erfahrung bringen, was ich mir in Zukunft vielleicht kaufen werde. Und vielleicht finde ich auch mehr über die Situation in Elyne heraus.« Sie trat vor die Truhe, in der Vora ihre Umhänge aufbewahrte, und öffnete sie.
»Ihr könnt nicht fortgehen, Herrin«, widersprach Vora. »Nicht ohne seine Erlaubnis.«
»Mach dich nicht lächerlich. Ich bin eine erwachsene Frau, kein Kind.« Stara wählte den am wenigsten grellen Umhang aus und schwang ihn sich um die Schultern.
»So werden die Dinge hier aber nicht gehandhabt«, erklärte Vora. »Ihr braucht Wachen und den Schutz eines Mannes. Ich könnte Meister Ikaro fragen, ob...«
»Nein«, fiel Stara ihr ins Wort. »Halte meinen Bruder da heraus. Ich werde einige Sklaven mitnehmen. Und einen geschlossenen Wagen. Falls jemand fragt, können wir behaupten, mein Vater säße darin, wolle aber mit niemandem sprechen. Oder mein Bruder.« Sie verknotete die Bänder des Umhangs und ging auf die Tür zu. Vora eilte hinter ihr her. »Und hör auf, mit mir zu streiten. Ich gehe. Wir gehen. Falls etwas passiert, werde ich einfach...« Sie hielt inne und beendete im Stillen ihren Satz: sie mit Magie niedermachen. »Wir werden schon zurechtkommen, ich verspreche es. Wie elynische Händler so gern sagen: Alles, was man im Leben braucht, sind Zuversicht, Wissen und eine Menge Verstellung.«
Zehn Minuten später saßen sie und Vora in einem geschlossenen Wagen und fuhren mit vier stämmigen Sklaven als Beschützern und einem Fahrer vom Anwesen auf die Straßen der Stadt hinaus.
»Siehst du?«, sagte Stara. »Niemand hat uns aufgehalten.«
»Das ist den Sklaven gegenüber nicht besonders gerecht«, entgegnete Vora missbilligend. »Sie werden bestraft werden.«
»Weil sie Befehle befolgt haben? So grausam wäre mein Vater doch sicher nicht.«
Vora zog die Augenbrauen hoch, sagte jedoch nichts.
Dennoch wurde Staras Triumph darüber, ohne Widerstand aus dem Haus gekommen zu sein, von Enttäuschung überschattet. Ihr wäre es lieber gewesen, ihr Vater wäre in Erscheinung getreten, um sie am Verlassen des Hauses zu hindern, sodass sie ihn nach dem Geschäft und ihrer Mutter hätte fragen können. Seufzend lehnte sie sich auf dem Sitz des Wagens zurück und beobachtete, wie hohe weiße Mauern vorbeizogen.
Ist es überall in der Stadt so? fragte sie sich. Ich habe nicht mehr viele Erinnerungen an Arvice. Vielleicht bin ich nie aus dem Haus gekommen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Mutter gern die ganze Zeit eingepfercht war. Aber das könnte einer der Gründe gewesen sein, warum sie das Leben hier gehasst hat. Vielleicht hing es nicht ausschließlich damit zusammen, dass Vater sich seinen Sklaven gegenüber so schäbig verhalten hatte.
Vielleicht hatte
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