Magie
und wann wir vielleicht gestört werden.« Er kniff die Augen zusammen und lächelte. »Beeil dich mit dem Raka, da wir jemanden brauchen, mit dem Stara üben kann.«
Voras Lippen wurden schmal, aber in ihren Augen leuchtete warme Zuneigung. Schon bald saßen sie wieder auf den Kissen und nippten an dem heißen Getränk. Ikaro wies Vora an, ihr Kissen zwischen sie beide zu schieben und niederzuknien. Er zog das kurze, geschwungene Messer aus der Scheide an seiner Hüfte, dann sah er Stara an, und alle Heiterkeit war aus seinen Zügen gewichen.
»Zuerst musst du die Haut durchbrechen«, erklärte er ihr. »Die natürliche, magische Barriere, die uns vor dem Willen anderer schützt, liegt dort verborgen, wenn sie nicht erweitert wird, um einen Schild zu bilden.« Er drehte das Messer um und hielt ihr den Griff hin. »Nimm es. Es gibt nur eine Möglichkeit, es dir zu zeigen: Du musst es selbst spüren.«
Sie nahm das Messer. Der Griff war warm von seiner Berührung. Vora krempelte ihre Ärmel hoch und streckte den Arm aus.
»Eine kaum merkliche Berührung sollte genügen. Die Klinge ist sehr scharf.«
Einen Moment lang konnte Stara sich nicht dazu überwinden, sich zu bewegen. Vora musterte sie mit kritischem Blick. Plötzlich entschlossen, dass die alte Frau nicht noch einen Augenblick der Schwäche sehen sollte, drückte Stara die Klinge sachte auf die Haut der Sklavin. Als sie sie wieder wegzog, erschien eine rote Linie. An einem Rand bildete sich ein Blutstropfen. Stara unterdrückte den Drang, sich zu entschuldigen.
»Jetzt leg die Hand über den Schnitt«, fuhr Ikaro fort. »Schließ die Augen. Sende deinen Geist aus und finde Vora.«
Stara tat wie geheißen und war verblüfft von der Intensität dessen, was sie spürte. Ein großer Teil von Nimelles Magielektionen
hatte sich um die Begegnung ihrer beider Geister gedreht, aber so wie dies hier war es nicht gewesen. Stara hatte das Gefühl, als sei sie sich nicht nur Voras Anwesenheit bewusst, sondern ihres ganzen Körpers und sogar ihres Geistes. Als sie sich konzentrierte, konnte sie die Gedanken der Frau hören.
Am deutlichsten von allem konnte sie die magische Energie in der Sklavin spüren, die jeden Teil ihres Körpers durchtränkte.
Aus einiger Entfernung hörte sie Ikaro sprechen.
»Fühlst du die Stärke in ihr?«
Sie zwang sich zu nicken.
»Gut. Jetzt nimm davon. Mach es, wie du etwas von deiner eigenen Magie nimmst, wenn du sie verwendest.«
Vorsichtig und zaghaft griff sie nach der Energie in Vora. Die Energie floss auf sie zu, aber dann spürte sie, wie sie ihr wieder entglitt.
»Wo ist sie geblieben?«
»Du hast sie umgeformt aus dir hinausgeleitet. Keine Sorge. Das tun zu Beginn die meisten Menschen. Versuche es noch einmal, aber diesmal stell die Verbindung mit deiner eigenen Magie her. Zieh ihre Macht in dich hinein, damit sie sich mit deiner vermischt.«
Während sie sich weiter auf Voras magische Energie konzentrierte, suchte sie nach ihrer eigenen Macht. Plötzlich hatte sie den Eindruck von zwei leuchtenden, menschlichen Gestalten, die dort, wo eine Gestalt die andere berührte, miteinander verbunden waren. Sie konnte die Barriere fühlen, die Voras Energie umgab, konnte die Bresche darin spüren, wo sie ihre Haut aufgeschnitten hatte.
Dann nahm sie ihre ganze Willenskraft zusammen und zog Energie aus Voras Körper. Die Energie unterwarf sich ihrem Willen und floss in ihren eigenen Körper.
»Ich habe sie«, sagte sie. »Es funktioniert.«
»Gut. Und nun weiter. Um zu verhindern, dass andere spüren, was du tust, musst du deine Barriere stärken. Wenn du es nicht tust, wird die Barriere nur die Macht zurückhalten, die du natürlicherweise selbst besitzt. Unser Vater wird spüren,
dass du ständig Magie abgibst, und wissen, was ich dich gelehrt habe. Außerdem musst du lernen, Magie zu nehmen, ohne dabei etwas aus dir hinausfließen zu lassen.«
Er wies sie mehrfach an, Macht zu nehmen und wieder innezuhalten, und machte sie jedes Mal darauf aufmerksam, wenn dabei etwas von der Magie austrat. Ihr war bewusst, dass einige Stunden verstrichen waren, bevor er erklärte, dass sie die Prozedur nunmehr gut genug beherrschte, um Schwarze Magie zu benutzen, ohne den Argwohn anderer zu erregen. Stara sah Vora an und hielt Ausschau nach Anzeichen von Schwäche, aber die alte Frau wirkte unverändert.
Das ist gut. Ich will Vora nicht zu viel Energie abziehen. Sie ist nicht mehr jung und braucht schon genug Energie, um hinter mir und
Weitere Kostenlose Bücher