Magie
Lord Dakon einschreiten, wenn sie es nicht wären.«
Die beiden Frauen tauschten einen Blick. Viria runzelte die Stirn und musterte Tessia forschend.
»Lord Dakon hat selbst keine... ah... unschicklichen Annäherungsversuche unternommen, nicht wahr?«
Tessia starrte sie entsetzt an. »Nein!«, erwiderte sie energisch.
Viria breitete die Hände aus. »Es ist alles schon vorgekommen. Ein Meister, der seine Schülerin verführt... oder umgekehrt. Als ich noch ein Mädchen war, kannte ich eine junge Frau, die ihren Meister heiratete, als sie ein Kind von ihm erwartete. Wir dachten, er habe die Situation ausgenutzt, aber es stellte sich heraus, dass es gerade umgekehrt war. Es ist nicht ungewöhnlich, dass junge Meisterschülerinnen sich in ihre Meister verlieben.«
Das ist ja schlimmer als ein Gespräch mit meiner Mutter, dachte Tessia. Dann durchzuckten sie Gewissensbisse, weil sie auf diese Weise an ihre Mutter gedacht hatte. Trotzdem, sie hätte nichts Unrechtes darin gesehen, wenn ich mich in Dakon verliebt und ihn geheiratet hätte.
Während sie zu ihrem Meister hinüberschaute, der bei den anderen Anführern und Ratgebern der Armee saß, überdachte sie ihre Gefühle für ihn. Viele Male hatte sie Zuneigung für ihn empfunden. Und Bewunderung. Aber beide Gefühle galten seinem großzügigen, freundlichen Wesen. Tiefere Gefühle gab es nicht. Kein körperliches Verlangen.
»Sei nicht dumm, Viria«, sagte Jialia. »Junge Frauen ziehen Männer vor, die ihnen altersmäßig näher stehen. Wenn Tessia in irgendjemanden vernarrt ist, dann wäre es eher der junge Jayan von Drayn.« Ein versonnener Ausdruck trat in ihre Augen. »Ich hoffe doch, Lord Dakon hat Euch gelehrt, wie man eine Empfängnis vermeidet.«
Tessia schüttelte den Kopf und seufzte. Wenn Ihr Jayan kennen würdet, wüsstet Ihr, wie unwahrscheinlich das ist, dachte sie. Obwohl sein Benehmen sich verbessert hat. Es wäre ungerecht zu behaupten, er sei durch und durch verabscheuenswert.
»Jialia«, warf Avaria ein. »Das ist kaum etwas, das ein Magier einer weiblichen Meisterschülerin beibringen würde.«
Viria nickte, dann blickte sie zwischen Avaria und Tessia hin und her. »Also, wirst du es Tessia selbst beibringen?«
»Ich... falls sie es wünscht.«
Tessia beschloss, nichts zu sagen. Es kostete sie all ihre Willenskraft, nicht mit den Zähnen zu knirschen. Wenn doch nur irgendjemand käme und mich von diesen verrückten Frauen wegbrächte, dachte sie.
Und dann drang das Geräusch einer Explosion an ihre Ohren. Sie und Avaria sprangen auf und drehten sich um.
»Was war das?«, fragte Avaria.
Etliche Magier bewegten sich auf das Geräusch zu, die Gesichter hart vor Furcht und Entschlossenheit. Tessia machte einen Schritt weg von den Frauen.
»Nein! Bleibt hier«, sagte Jialia in einem befehlenden Tonfall, obwohl die Furcht ihre Stimme zittern ließ. Tessia schaute sich um; die beiden saßen noch immer auf ihren Decken. »Ihr wäret nur im Weg.«
Ein Aufwallen von Trotz kämpfte gegen ihren gesunden Menschenverstand und die Gewohnheit zu gehorchen. Tessia sah Avaria an. Wenn sie sagt, ich solle bleiben, werde ich es tun.
Avaria erwiderte Tessias Blick, runzelte die Stirn und setzte sich widerstrebend hin. »Ja, wir sollten auf Befehle warten.« Ihre Augen wurden schmal, während sie beobachtete, wie die Magier hinter den Häusern und Lagerhallen verschwanden.
Tessia nahm ebenfalls wieder Platz, drehte sich jedoch so, dass sie die Magier weiterhin beobachten konnte. Die Zeit verrann zäh. Die Frauen versuchten, das Gespräch wieder aufzunehmen, und diesmal stand Avaria im Mittelpunkt ihrer Fragen.
»Nun, wenn es sich um einen Angriff handelte, hätten sie uns inzwischen Befehle gegeben, entweder zu kämpfen oder zu fliehen«, sagte eine der Frauen. Dann wandte sie sich Avaria zu. »Also, wann wirst du Everran einige Söhne schenken, die er verwöhnen kann?«
Tessia sah Avaria zusammenzucken und unterdrückte ein Lächeln.
»Wenn keine Gefahr mehr besteht, dass die Sachakaner sie
verspeisen werden, bevor sie alt genug sind, um zu sprechen«, gab Avaria zurück.
»Ich dachte, das sei nur ein Gerücht«, murmelte die Frau.
Tessia hörte nicht, was sie als Nächstes sagten. Lord Werrins Diener kam auf sie zugerannt. Als er näher kam, stellte sie fest, dass er sie ansah.
»Meisterschülerin Tessia«, rief er.
Sie erhob sich. »Ja?«
»Eure Dienste werden erbeten.«
Sie griff nach der Tasche ihres Vaters und eilte ihm hinterher. Er
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