Magie
etwas Vertrautes in
einer fremden, neuen Welt bot. Etwas, um ihr Interesse zu wecken.
Aber das hätte er doch nicht zu tun brauchen. Gewiss war sie genauso aufgeregt wie jeder neue Meisterschüler, Magie erlernen zu dürfen. Bei der Vorstellung, dass es sich in ihrem Fall anders verhalten könnte, durchzuckte ihn ein winziger Stich des Ärgers. Das wäre unglaublich undankbar, sowohl dem Glück gegenüber, das ihr eine solche Chance gegeben hat, als auch Lord Dakon gegenüber, der sie ausbilden will. Er ertappte sich dabei, dass er die Stirn runzelte, und entspannte seine Züge hastig wieder. Sobald sie erst einmal anfängt, Magie zu benutzen, und begreift, wie wunderbar das ist, wird sie ihr altes Leben schnell hinter sich lassen. Das Heilen wird nichts im Vergleich zu der Magie sein.
Ungeheuer hohe Bäume umgaben Hanara. Er blickte auf. Die geraden, schmalen Stämme schwankten hoch über ihren Köpfen langsam und träge im Wind. Ein Warnschrei. Einer begann zu fallen. Jemand schrie, als der Stamm durch die Zweige der benachbarten Bäume krachte und auf den Waldboden stürzte; Splitter von den Stellen, an denen die Äxte den Stamm nicht ganz durchtrennt hatten, flogen durch die Luft. Das Schreien hielt an. Er eilte herbei. Zweige teilten sich, und er sah, was passiert war. Ein Sklave - sein Freund - lag auf den Boden gepresst da, die Beine zerschmettert. Die anderen Sklaven ignorierten den Verletzten und seine Schreie und machten sich daran, das Holz zu schneiden.
Hanara fuhr aus dem Schlaf hoch. Einen Moment lang blinzelte er in der Dunkelheit. Die Luft roch falsch.
Kyralia , erinnerte er sich. Ich bin in Kyralia, im Haus eines Magiers. Ich bin verletzt. Ich muss schnell gesund werden, damit
Takado mich nicht tötet, wenn er zurückkommt. Er schloss die Augen.
Er schnitt und formte Holz. Er liebte es zu beobachten, wie es sich unter der Klinge abschälte. Sobald man die Muster der Maserung verstanden hatte, sobald man verstanden hatte, wie das Holz einigen Schnitten widerstand und andere willkommen hieß, war die Arbeit einfach. Alle Informationen, die man brauchte, waren dort, eingeschrieben
in die Maserung. Er stellte sich vor, dass es mit dem Lesen genauso war.
Er hörte den Holzmeister hinter sich treten, um ihn zu beobachten. Er konnte den Mann nicht sehen, aber er wusste, wer es war. Wenn er innehielt, um sich umzuschauen, würde der Mann ihn auspeitschen, daher arbeitete er weiter. Wenn Hanara ihm demonstrierte, dass er das Holz lesen konnte, würde der Mann ihn vielleicht lehren, wie man die Tischlerarbeiten verrichtete im Herrenhaus, statt Pfähle für die Zäune des Sklavenhauses zu machen.
Einige weitere Schnitte, und der Pfahl war fertig. Er war perfekt, zu schade für einen bloßen Sklavenzaun. Hanara drehte sich um, um seine Arbeit dem Holzmeister zu zeigen.
Es war nicht der Holzmeister, der hinter ihm stand. Es war Ashaki Takado. Hanara erstarrte, sein Herz schlug plötzlich wie wild, dann fiel er zu Boden. Der Magier, der Besitzer des Hauses, der Sklaven, des Waldes und der Felder trat näher und befahl Hanara aufzustehen, dann sah er ihm ins Gesicht. Hanara senkte den Blick. Der Magier packte ihn am Kinn und hob es an, und sein Blick bohrte sich in Hanaras Augen. Aber ihre Blicke trafen sich nicht. Der Magier sah in ihn hinein. Takados Augen flammten.
Der Pfahl wurde Hanara aus der Hand genommen, und er wurde vom Sklavenhof weggeführt. Seine Arme schmerzten. Als er hinabschaute, sah er, dass sich ungezählte Narben und frische, blutende Schnittwunden kreuz und quer über seine Haut zogen. Takado stand lachend über ihm.
Bist du ein guter Sklave? fragte er. Bist du es? Er hob einen Arm, und in der Hand hielt er eine glitzernde, gebogene Klinge...
Hanara schreckte abermals aus dem Schlaf, aber diesmal war er vollkommen steif. Er hatte Schmerzen, und sein Atem ging in harten Stößen. Kyralia. Haus eines Magiers. Schmerzen. Muss gesund werden, bevor Takado... Er hörte Stimmen, und ein Schauder überlief ihn. Die Stimmen kamen näher. Blieben draußen vor seinem Zimmer stehen.
Er holte langsam und tief Luft. Sein Herz raste.
Die Tür öffnete sich knarrend, und Licht fiel herein. Hanara erkannte den Heiler, die junge Frau, die ihm half, und Lord Dakon. Erleichtert ließ er sich aufs Bett zurücksinken.
»Entschuldige, dass wir dich wecken, Hanara«, sagte der Heiler. »Da ich schon einmal hier bin, sehe ich kurz nach dir. Wie fühlst du dich?«
Hanara betrachtete all die
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