Magie
Schatulle formte sich. Die ganze Schatulle bestand aus hell glitzerndem Gold. Ihre Wände waren dick, und sie war sehr schwer. Sie sah Lord Dakon an. Er wirkte erheitert.
Besser. Ich glaube nicht, dass einer von uns dies für etwas anderes als eine magische Schatulle halten würde, sagte er. Jetzt öffne sie.
Ein erwartungsvolles Beben durchlief sie, als sie den Deckel öffnete. Was würde sie darin finden? Macht. Unkontrollierte Macht wahrscheinlich. Als der Deckel sich öffnete, drang ein blendend weißes Licht an ihre Augen.
Es war zu grell. Sie spürte eine Macht, die hervorquoll und ihr die Schatulle aus den Händen schlug. Ein Krachen erschreckte sie und riss sie zurück in ihre tatsächliche Umgebung, und sie schlug die Augen auf. Blinzelnd suchte sie den Raum nach dem Ursprung der Störung ab. Dann sah sie die Glasscherben auf einem nahen Tisch.
»Oh.«
Lord Dakon straffte sich, öffnete die Augen und betrachtete das zerbrochene... nun, was immer es gewesen war.
»Entschuldigung«, sagte sie.
Er runzelte die Stirn. »Ich denke, wir sollten diese Lektionen vielleicht an einem Ort fortsetzen, wo es weniger... Zerstörbares gibt.«
»Es tut mir sehr leid«, wiederholte sie.
»Du brauchst dich nicht zu entschuldigen«, antwortete er entschieden. »Ich hätte mir der Möglichkeit bewusst sein müssen,
dass ungerichtete Magie entfesselt werden könnte. Ich schätze, ich war mir dessen bewusst, habe es aber nicht ernst genommen. Ich habe noch nie zuvor ein Naturtalent unterrichtet. Warum gehen wir nicht...?«
Es klopfte an der Tür. Sein Blick wanderte durch den Raum. Als Tessia zum Eingang hinüberschaute, sah sie Keron durch die Öffnung spähen.
»Lord Dakon«, sagte der Diener. »Lord Narvelan aus dem Lehen Loran ist eingetroffen.«
Dakon zog überrascht die Augenbrauen hoch, dann stand er auf und wandte sich zu Tessia um. »Das wird für heute genügen. Wenn du kannst, übe dich darin, diesen geistigen Zustand zu erreichen und dir die Schatulle vorzustellen, aber öffne sie nicht.«
Sie lächelte. »Ganz bestimmt nicht.«
»Die Bücher auf diesem Tisch an der Tür sind für dich bestimmt.« Er deutete auf die Bände. »Lass es mich wissen, wenn irgendetwas darin für dich keinen Sinn ergibt.«
Sie nickte.
Er wandte sich ab und verließ die Bibliothek. Da sie seine Hast bemerkte, konnte sie sich eines intensiven Gefühls der Neugier nicht erwehren. Hatte Lord Narvelan die Angewohnheit, Lord Dakon unangemeldet zu besuchen? Sie hatte den Magier des benachbarten Lehens nur selten zu Gesicht bekommen und dann auch nur aus einiger Entfernung. Im Dorf hieß es, er sei ein gut aussehender Mann. Vielleicht würde er heute Abend mit ihnen essen.
Ich nehme an, wenn ich Augen und Ohren offen halte, werde ich hier vielleicht mehr lernen als nur die Benutzung von Magie. Ich könnte eine Menge mehr über die Welt der Magier und der wohlhabenden und einflussreichen Menschen lernen.
Was etwas war, das sie ohnehin mehr oder weniger erwartet hatte. Allerdings hatte sie nicht erwartet, dass es so schnell geschehen würde.
Dakon beneidete den Mann, der in der Bibliothek auf und ab ging, um seine Jugend. Nachdem er Dakons Nachricht erhalten
hatte, dass Takado aufgebrochen war, war Lord Narvelan die ganze Nacht hindurch nach Mandryn geritten, doch er war noch immer wachsam und rastlos. Aber andererseits hatte Politik den jungen Magier stets belebt. Hätte Dakon es nicht besser gewusst, hätte er Narvelans Interesse an dem Sachakaner vielleicht als das eines gelangweilten jungen Mannes abgetan, der in einem wenig aufregenden, abgeschiedenen Landstrich lebte. Aber er wusste es durchaus besser,
Drei Jahre zuvor war Dakon ebenso überrascht wie erheitert gewesen, als sein junger Nachbar ihn »rekrutiert« hatte. Narvelan und mehrere andere Besitzer ländlicher Lehen und einige mitfühlende städtische Lords waren übereingekommen, sich mehrmals im Jahr zu treffen, um Angelegenheiten zu erörtern, die ländliche Lehen betrafen. Begonnen hatte das Ganze als zwangloses Arrangement, dazu gedacht, die Beziehungen zwischen Magiern, die in ihren entlegenen Lehen lebten, zu stärken. Sie hatten sich den Namen »Der Freundeskreis« gegeben.
Da diese Gruppe zwanglos und nicht zur Gänze geheim war, hatte König Errik binnen weniger Monate davon erfahren. Narvelan war eins der Mitglieder des Freundeskreises, die in die Stadt gereist waren, um dem König zu versichern, dass ihr Sinnen und Trachten nicht gegen die Interessen
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