Magie
der Hauptstraße erweiterte sich zu einem großen, rechteckigen Platz, dem Marktplatz.
Obwohl sie das alles wusste, war das meiste davon im Gewirr der Gebäude nicht zu erkennen. Sie konnte sehen, dass
einige Dächer der Linie der Straßen folgten, aber im Wesentlichen bildeten sie ein Durcheinander von verschiedenen Formen und Größen. Einzig die Türme des Königspalastes auf der höhergelegenen Seite der Stadt waren deutlich sichtbar. Als der Wagen die ersten Bauten an der Straße erreichte, wurde noch augenfälliger, dass dies nicht die wohlgeordnete, saubere Stadt war, auf die die Karten hatten schließen lassen.
Es waren Hütten, offenkundig aus Material errichtet, das ihre Bewohner gerade hatten zusammenklauben können, soweit Tessia erkannte. Scharen von schmutzigen, hageren Menschen in zerlumpten Kleidern standen und saßen davor oder gingen ihren Geschäften nach. Eine Frau, deren breites Grinsen einige wenige verbliebene geschwärzte Zähne entblößte, humpelte mit einem Korb voller runzliger Früchte auf den Wagen zu. Sie kam nicht allzu nahe, wie Tessia bemerkte. Andere taten das Gleiche, während der Wagen vorbeirollte, und boten Waren an, die nicht frischer oder reizvoller waren als die der Frau. Als Tessia an ihnen vorbeischaute, sah sie, dass eine endlose Reihe von Menschen, die sich vor den Wänden der Hütten zusammenkauerten, bittend die Arme hoben. Bettler, durchzuckte es sie, die Hände oder Gefäße ausstreckten und um Münzen baten. Als sie genauer hinschaute, sah sie Wunden, die hätten gereinigt und bedeckt werden müssen, Anzeichen einer Krankheit, die durch schlechte Ernährung verursacht wurde. Geschwüre, die ein tüchtiger Chirurg mühelos hätte entfernen können. Sie roch Abfall und Exkremente, Entzündungen und abgestandenen Schweiß.
Sie war wie gelähmt. Schockiert. Die Menschen brauchten Hilfe. Sie brauchten eine Armee von Heilern. Am liebsten wäre sie aus dem Wagen gesprungen und hätte etwas getan, aber womit? Sie hatte keine Tasche mit Medikamenten und Instrumenten. Keinen Brenner, um eine Klinge durch Feuer zu reinigen. Keine Klinge, die sie hätte reinigen können. Und wo hätte sie beginnen sollen?
Eine Woge der Mutlosigkeit schlug über ihr zusammen, wie ein eiskalter Regen, der sie bis ins Mark frösteln ließ. Als sie in ihren Sitz sank, spürte sie, dass jemand sie beobachtete. Lord
Dakon. Sie blickte nicht auf. Sie wusste, dass sie Mitgefühl in seinen Augen sehen würde, und gerade jetzt hätte sie das nicht ertragen können.
Ich sollte dankbar sein, dass er es versteht. Er weiß, dass ich diese Menschen heilen will, es aber nicht kann. Ich will sein Mitgefühl nicht, ich will das Wissen, die Möglichkeit und die Freiheit, etwas zu tun, um ihnen zu helfen. Und eine Erklärung, warum sie so leben - und warum niemand sonst etwas dagegen unternimmt.
Die Straße wurde plötzlich breiter, und sie kamen auf einen großen Platz. Auf der einen Seite konnte sie Schiffe und Boote sehen, festgemacht an langen Holzstegen, die in den Fluss hineinragten. Auf der anderen Seite führte eine breite Straße zwischen großen, steinernen Häusern hinauf. Dies musste der Marktplatz sein.
»Sollten hier nicht Verkaufsbuden stehen?«, fragte sie.
»Nur am Markttag - jeden fünften Tag«, antwortete Dakon. Der Wagen bewegte sich träge mit dem Strom anderer Gefährte, die auf die Königspromenade zustrebten. Sie kamen nur langsam voran. Gelegentlich erzwang sich einer der größeren Wagen mit prächtigem Aufbau die Durchfahrt, und protzig gekleidete Männer sorgten mit kurzen Peitschen dafür, dass andere Reisende schnell den Weg freimachten. Tessia fragte sich, warum niemand gegen diese beiläufige Brutalität protestierte. Das prächtig gekleidete Paar und die drei Kinder, die sie in einer der Kutschen erspähte, schienen nichts davon zu bemerken. Lord Dakon sagte und tat nichts, aber sie war erleichtert, dass er Tanner nicht befahl, ebenfalls die Peitsche einzusetzen.
Außerdem bemerkte sie, dass die meisten Gefährte die Straßenmitte mieden. Selbst die eleganteren Wagen scherten nur dann in die Mitte aus, wenn sie anschließend sofort wieder an den Rand fahren konnten. Als zwei Reiter in Livree die freie Mitte der Straße entlanggaloppierten, vermutete sie, dass es sich um Diener handelte, die zum Palast unterwegs waren. Es musste ein Gesetz geben, das es untersagte, jemandem den Weg zu versperren, der die Straße in Angelegenheiten des Königs benutzte, und das Bußgeld oder
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