Magie
trat vor und verneigte sich.
»Willkommen, Lord Dakon«, sagte der Mann. Er nickte Jayan steif zu. »Meisterschüler Jayan.« Dann wandte er sich zu ihrer Überraschung ihr selbst zu: »Meisterschülerin Tessia. Lord Everran und Lady Avaria erwarten Euch und bitten Euch, sich für eine Nachmittagserfrischung zu ihnen zu gesellen.«
»Danke, Lerran«, sagte Dakon und stieg aus dem Wagen. »Sind der Lord und die Lady wohlauf?«
»Lady Avaria fühlte sich in den letzten Monaten ein wenig schwach, aber seit einigen Wochen geht es ihr viel besser.«
Sobald sie alle ausgestiegen waren, lenkte der Kutscher sein Gespann durch das große Kutschentor in einen Innenhof des Anwesens. Lerran geleitete sie durch den Haupteingang. Aber sie gelangten nicht in eine große Empfangshalle, wie Tessia erwartet hätte, sondern in einen breiten Flur. Dakon drehte sich zu Tessia um.
»In sachakanischen Häusern nennt man diesen Flur ›Aufgang‹«, erklärte er ihr. »Der Raum am Ende heißt ›Meistersaal‹, da der Besitzer des Hauses dort Besucher empfängt und bewirtet.«
Der Raum, den sie betraten, war sehr groß. Etliche mit Kissen bezogene Bänke waren darin verteilt, und wo keine großen Schränke an den Wänden standen, hingen Gemälde, Wandbehänge und Schnitzereien. Türen führten in alle Richtungen. Es war keine Treppe zu sehen, daher vermutete Tessia, dass die Stiege in den oberen Stock sich anderswo im Haus befinden musste.
Mitten im Saal standen zwei Menschen, die ihre Besuchern
anlächelten. Das müssen Lord Everran und Lady Avaria sein. Sie waren jünger, als Tessia erwartet hatte, wahrscheinlich noch keine dreißig. Lord Everran war ein hochgewachsener, dünner Mann mit dem typischen dunklen Haar der Kyralier, aber seine Haut war dunkler als gewöhnlich - ein angenehmer Goldton. Er war auf eine glatte, gepflegte Art recht gut aussehend, befand sie.
Eine Frau wie Lady Avaria hatte Tessia noch nie gesehen. Ihre Gastgeberin war sehr attraktiv, aber auf zurückhaltende Weise. Sie ist das, was Mutter meinte, als sie versuchte, mir »Eleganz« zu beschreiben, ging es Tessia durch den Kopf. Aber etwas in Avarias Gesicht - ein schelmisches Funkeln in den Augen, ein keckes Zucken in ihrem Lächeln - ließ etwas Spielerisches unter der Zurückhaltung ahnen. Und diese Frau ist eine Magierin, rief sie sich ins Gedächtnis,
Everrans Miene verriet unverhohlene Freude, als er Dakon begrüßte und seinen Gast auf die Oberarme schlug; Tessia war inzwischen zu dem Schluss gekommen, dass dies eine Art Begrüßung unter wichtigen Männern war. Sie bemerkte, dass er Jayan nicht mit der gleichen Geste auszeichnete. Lord Gilar hatte das ebenfalls nicht getan, erinnerte sie sich. Vielleicht wurde Jayan nicht als wichtig betrachtet, bevor er ein höherer Magier war.
Lady Avaria folgte dem Beispiel ihres Gemahls nicht. Sie lächelte und berührte Dakon sachte an der Wange.
»Es ist schön, Euch wieder hier zu haben, Dakon«, sagte sie mit einer warmen, tiefen Stimme. Dann wandte sie sich zu Jayan um. »Willkommen, Meisterschüler Jayan von Drayn.«
Sowohl ihr Gastgeber als auch ihre Gastgeberin waren aufmerksame Beobachter, denen wenig entging, wie Tessia auffiel. Als sie sich zu ihr umdrehten, hatte sie das deutliche Gefühl, einer scharfsinnigen Musterung unterzogen zu werden. Nur gut, dass ich nicht dazu neige zu plappern, wenn ich nervös bin, dachte sie, während sie die Fragen ihrer Gastgeber beantwortete, und dass ich nichts zu verbergen habe. Ich vermute, dass es den beiden niemals entgehen würde, wenn ich mich verplappern würde.
»Die Gehilfin eines Heilers?«, erkundigte Avaria sich. »Ich
habe eine Freundin, die sich zur Heilerin ausbilden lässt. Ich könnte dafür sorgen, dass Ihr einander kennenlernt, vielleicht beim Mittagessen oder bei einer ähnlichen Gelegenheit.«
Tessia blinzelte überrascht. »Ich war nur eine Gehilfin. Eure Freundin wird meine Kenntnisse vielleicht, aah, ziemlich dürftig finden.«
»Oh, ich bin davon überzeugt, dass Ihr eine ganz faszinierende Person seid«, versicherte Avaria ihr. »Und ich freue mich schon auf eine neue Gefährtin, die mich beim Einkaufen begleitet.« Sie wandte sich an Dakon. »Also, habt Ihr Euren Meisterschülern das gewohnte Taschengeld zur Verfügung gestellt?«
Dakon kicherte. »Sobald wir alles ausgepackt haben.«
»Die Preise sind seit Eurem letzten Besuch beträchtlich gestiegen«, warnte Avaria ihn. »Da dies Tessias erster Besuch ist, braucht sie mehr als
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