Magier des dunklen Pfades 1 - Die Suche (German Edition)
besten Freund.
„Ich werde mich unverzüglich aufmachen“, sagte Pergin entschlossen.
Tralvis lächelte. „Das höre ich gerne. Aber ich bin noch nicht fertig. Kaiser Sarto hat einen neuen Auftrag für uns – oder besser gesagt für de Daskula.“ Er rieb sich über das Gesicht. Seine Falten wirkten plötzlich tiefer, erschöpfter. Angstvoller?
„Was ich Euch jetzt sage, ist so vertraulich, dass Ihr mit niemandem darüber sprechen dürft, nicht einmal mit Eurer Frau. Wenn doch, wird Euer Kopf rollen – und das meine ich nicht bildlich.“
„Kein Wort“, sagte Pergin. „Zu niemandem.“
Tralvis nickte. „Schon lange sind die Inselreiche im Süden dem Kaiser ein Dorn im Auge. Alles Unterschlüpfe für dieses üble Piratengesindel, das unsere Handelsschiffe kapert und die Besatzungen aus reinem Spaß dahinschlachtet. Er rüstet zum Krieg, lässt eine Flotte bauen, um die Inseln ein für alle Mal in die Gewalt des Kaiserreichs zu bringen. Dann wären die Handelsrouten sicher. Um es kurz zu machen: Der Kaiser hat mich um Kampfmagier gebeten. Stellt Euch ein Schiff vor, von dessen Deck ein Zauberer seine Feuerbälle in die feindliche Flotte schickt. Keine ungenauen Katapulte. Nein, ein Magier, der nur auf den Feind deuten muss, um ihn auszulöschen.“
Pergin hustete die plötzliche Trockenheit in seiner Kehle weg. „Feuerbälle, die ganze Schiffe in Brand stecken?“ Seine Gedanken überschlugen sich. Er selbst war zu einer … drei bis vier Meter reichenden Flammensäule imstande, die einen Menschen töten könnte. Aber das war es dann. Und er war nicht einmal schlecht auf diesem Gebiet. Eine Feuerkugel jedoch, groß genug, um ein ganzes Schiff zu versenken, und das auf große Distanz? Nicht einmal Lorgyn wäre dazu in der Lage.
Oder doch?
„Ich sehe Eure Zweifel – und sie sind verständlich“, sagte Tralvis beifällig.
Natürlich sind sie das, dachte Pergin. Kampfzauber benötigten ein immenses Maß an arkaner Energie, weswegen Magier in Schlachten nie eine bedeutende Rolle spielten. Ein Stück Holz mit einem Metallstück an der Spitze, abgefeuert von einer Bogensehne, war da in Sachen Verfügbarkeit, Nachschub und Reichweite um ein Vielfaches effektiver. Ganz zu schweigen davon, dass sich Magier von dem rohen Gemetzel auf Schlachtfeldern zu distanzieren pflegten. Und Pergin kannte auch niemanden, der sich auf dieses Gebiet spezialisiert hatte. Entweder, Tralvis oder irgendjemand anderes hatte einen Durchbruch erzielt, der die Effektivität von Kampfzaubern maximierte, oder Tralvis überschätzte Lorgyn und hatte sich von der Aussicht auf viel Gold zu etwas Unüberlegtem hinreißen lassen. Oder …
… es gab etwas, was ihm der Großmeister verschwieg.
Schweigend sah Tralvis ihn an. Auf den ersten Blick wirkte der Großmeister gefasst – wären da nicht die Schatten, die in seinen Augen spielten. Der Eindruck, den Pergin vorhin gehabt hatte, verstärkte sich: Tralvis hatte Angst.
Und das wiederum machte Pergin Angst.
Der Großmeister presste die Lippen zusammen, dann, ruckartig, stand er auf, als wäre er zu einer Entscheidung gelangt.
„Wartet einen Augenblick.“ Er kämpfte sich aus dem hochlehnigen Stuhl und schlurfte zur Tür, die in seine Privatgemächer führte, öffnete sie, trat hindurch und ließ sie wieder ins Schloss fallen.
Mit banger Anspannung wartete Pergin.
Er meinte, ein dumpfes Geräusch zu hören, aber das mochte auch sein wummerndes Herz sein. Nach geraumer Zeit öffnete Tralvis die Tür und bedeutete ihm zu folgen.
Verdutzt stand er auf. „Ich soll …?“
Ungeduldig winkte Tralvis ihn herbei. „Nun haltet keine Maulaffen feil. Kommt.“
Nicht einmal Lorgyn war je der Privatgemächer des Großmeisters ansichtig geworden. Der einzige, von dem Pergin wusste, war Bjarim, Lorgyns ehemaliger Mentor, der dort mit Tralvis dem Schachspiel gefrönt hatte.
Die Möbel im Wohnraum waren wuchtig und dunkel, und es roch nach altem Holz. Bilder zierten die Wände: ein paar verstorbene Großmeister der Akademie, dazu Landschaftsgemälde und ein Portrait von Tralvis und Bjarim aus früheren Tagen, beide angetan in den Talaren der Akademie. Ohne innezuhalten betrat Tralvis den nächsten Raum, das Schlafgemach. Bett mit Baldachin, ein Schrank, und ein Regal mit einem kleinen Iros-Schrein darauf. Nichts Besonderes. Dahinter lag ein weiteres Zimmer, beherrscht von Bücherregalen. Ein Schaukelstuhl stand etwas einsam in einer Ecke. In der Mitte befand sich ein Tisch mit Stühlen.
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