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Magierdämmerung 01. Für die Krone - Perplies, B: Magierdämmerung 01 Krone

Titel: Magierdämmerung 01. Für die Krone - Perplies, B: Magierdämmerung 01 Krone Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Perplies
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Verzweiflung ankämpfte. Warum war er nicht zur Stelle gewesen? Warum hatte ihn die Magie im Stich gelassen? Dunholm war tot, und Randolph konnte nicht anders, als sich selbst die Schuld dafür zu geben.
    In diesem Augenblick ging ein kaum wahrnehmbares Zittern durch Dunholms Körper.
    Randolph keuchte auf. »Dunholm! Dunholm, können Sie mich hören? Ich bin es, Randolph. Ich werde Sie retten. Alles wird gut.«
    Die Lider des Ersten Lordmagiers hoben sich langsam, und er blickte Randolph mit brechenden Augen an. Seine Worte waren kaum mehr als ein Hauch. »Es ist zu spät für mich … Randolph …«
    »Nein, Sir, das dürfen Sie nicht sagen«, widersprach der Kutscher und schüttelte heftig den Kopf. Irgendetwas verschleierte seine Sicht, und er zwinkerte, um besser sehen zu können. »Das dürfen Sie nicht …«
    Dunholm gebot ihm mit schwacher Geste zu schweigen. »Finde Jonathan …«
    »Jonathan?«, fragte Randolph verwirrt. »Wer ist dieser Jonathan? Hat er Ihnen das angetan?«
    Sein Mentor schnaufte und schüttelte den Kopf. »Er … wird uns retten … Finde ihn … Dort entlang …« Quälend langsam, als bereite es ihm große Mühe, deutete Dunholm auf das entgegengesetzte Ende der Gasse. Dann legte er zitternd den Kopf schief und schien auf etwas zu lauschen, das nur er zu hören vermochte. »Sie kommen mich holen … Eile dich … Randolph. Finde … und schütze …« Schläfrig, als würde er von einer unendlichen Müdigkeit übermannt, senkte Dunholm seine Lider. »… Jonathan …«, seufzte er leise, und der Name klang wie der letzte Gruß einer ihrer sterblichen Hülle entweichenden Seele.
    Der Erste Lordmagier von London, ein Mann, der noch vor wenigen Stunden einem kleinen Jungen das Wunder des Staunens geschenkt hatte, bevor die Welt aus den Fugen geraten war, schloss die Augen und starb.
    Randolph schob sich mit einer fahrigen Geste seine Schiebermütze in den Nacken, rieb sich über das tränenfeuchte Gesicht und schluchzte unterdrückt auf. Sein Mentor, sein Freund, sein Vater war tot, in seinen Armen gestorben, von hinterhältiger Hand ermordet. Er schwor sich, dass er nicht ruhen würde, bis er den Täter zur Strecke gebracht hatte.
    Ein Flattern holte ihn aus seiner inneren Erstarrung in die Wirklichkeit zurück. Er hob den Kopf und bemerkte einen großen Raben mit schwarz glänzendem Gefieder am Eingang der Gasse. Hüpfend kam der Vogel näher, musterte den Kutscher aus klugen Augen und begrüßte ihn mit einem leisen Krächzen.
    »Nevermore«, brachte Randolph heiser hervor und räusperte sich. »Was machst du denn hier?«
    Der Rabe, der dem Kutscher vor fünfzehn Jahren während eines Rituals zugeflogen war und der ihm seitdem als magischer Vertrauter diente – kommend und gehend, wie es ihm beliebte, aber immer zur Stelle, wenn er gebraucht wurde –, hüpfte zwei Schritte in Richtung Straße zurück, krächzte noch einmal und deutete mit seinem Kopf die Long Lane hinunter.
    In der Ferne glaubte Randolph eine Kutsche zu hören. Das musste die Verstärkung sein, um die er Sedgewick ersucht hatte. Nun, sie kommt zu spät , dachte er verbittert.
    Behutsam ließ er Dunholms Körper zu Boden gleiten und stand auf. Er wollte die Magier des Ordens jetzt nicht sehen. Am liebsten hätte er sich mit einer Flasche Whiskey in irgendeinem Loch verkrochen und in die Bewusstlosigkeit getrunken. Aber das ging nicht. Sein Mentor hatte ihm eine letzte Aufgabe gestellt, und er beabsichtigte, diese genauso gewissenhaft zu erfüllen wie all jene, die er zu dessen Lebzeiten für ihn ausgeführt hatte.
    »Nevermore, ich brauche deine Hilfe«, sagte Randolph mit rauer Stimme zu dem Raben. »Es gilt, einen Mann zu finden, der irgendwo dort draußen ist und von dem Dunholm glaubte, dass wir ihn beschützen müssen.«
    Der Vogel krächzte bestätigend, breitete die Flügel aus und schwang sich in die kalte Abendluft hinauf. Lautlos tauchte er in das schmale Gassengewirr südlich der Long Lane ein.
    Unterdessen ging Randolph auf die Straße hinaus zu seiner Kutsche. »Lauf nach Hause! Bei dieser Suche würdest du mich nur behindern«, flüsterte er dem Pferd ins Ohr und schlug ihm mit der flachen Hand auf die Flanke. Das Geräusch der klappernden Hufe und der ratternden Räder wurde hallend von den Fassaden der hohen Häuser zurückgeworfen, als das Tier mit der Kutsche die Straße hinunter verschwand.
    Randolph blickte ihm zwei Herzschläge lang nach. Dann folgte er Nevermore.
    18. April 1897, 23:30 Uhr

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