Magiermacht (Mithgar 05)
denn so etwas?«
Tipperton zuckte mit den Schultern. »Wer kann das wissen? Ich weiß es jedenfalls nicht.«
»Gab es denn keine Überlebenden?«
Tipperton hob ratlos die Hände.
Beau schüttelte sich unbehaglich und ließ seinen Blick über die Umgebung streifen, als erwartete er, dass sich jeden Moment ein gewaltiges, unbesiegbares Monster auf sie stürzen würde.
»Gute Idee«, sagte Tipperton, der Beaus suchenden Blick missverstand und auf die sinkende Sonne deutete. »Suchen wir einen Lagerplatz.«
Hinter der nächsten Wegbiegung kamen sie zum Eingang eines kleinen Tales, durch das ein zugefrorener Fluss verlief. Als die Sonne hinter dem Horizont versank, hatten sie die Straße bereits verlassen und errichteten im Schatten des nur spärlich bewaldeten Tales ein kaltes Lager.
»Als ich letzte Nacht unter den Sternen Wache gehalten habe«, meinte Tipperton am nächsten Morgen, »habe ich nachgedacht.« Sie ritten bereits wieder nach Osten, und die Sonne stand strahlend hell am Himmel, spendete jedoch kaum Wärme.
»Ach? Und worüber?«
»Beau, wir haben kein einziges Mal, wenn wir gelagert haben, unsere Spuren verwischt. Sollte eine Rotte der Brut zufällig hier entlang kommen, brauchen sie nur den Hufspuren zu folgen, um noch ein paar Opfer für ihre Schlachtmesser zu finden.«
Beau wurde sichtlich blass.
»Wir sind schließlich keine mächtigen Krieger«, fuhr Tipperton fort. »Wie der Mann, der mir die Münze gegeben hat. Die Bande, die ihn angegriffen hat, hat er zwar niedergemacht, aber wir hätten keine Chance. Ich glaube, dass wir ab heute Nacht unsere Spuren im Schnee verwischen sollten, jedenfalls für eine Weile. Ein Besen aus Kiefernreisig sollte eigentlich genügen.«
Beau sah sich um. Nirgendwo war eine Kiefer zu sehen.
Am späten Nachmittag des folgenden Tages hatten sie die kargen Hügel überquert und sahen unter dem bleiernen Himmel die Straße vor sich. Sie schlängelte sich über eine schmale Niederung abwärts zum Fluss Caire. Dessen mit Eisschollen bedeckte Fluten wanden sich aus dem Norden heran und verschwanden weit im Süden. Eine schneebedeckte Steinbrücke spannte sich zwischen den Ufern. Dahinter stieg die Straße an und verschwand in einem Tal jenseits des Flusses. Dort mündete sie in einem dichten Wald, dessen kahle Baumriesen ihre Zweige wie Skelettfinger in den Himmel reckten.
»Da ist er«, sagte Tipperton und zügelte sein Pony. »Der Ödwald. Direkt vor uns.«
»Himmel, Tip, der Name passt wirklich«, meinte Beau und holte tief Luft. »Dunkel, trübsinnig … und furchtbar öde.«
»Und tödlich«, fügte Tipperton hinzu und schaute Beau an. »Falls es zutrifft, was man uns erzählt hat.«
Beau schluckte. »Wie weit ist es von hier bis zur anderen Seite?«
Tipperton drehte sich im Sattel herum und zog die Karte aus der Satteltasche. »Etwa achtzig Meilen«, meinte er nach einem kurzen Blick darauf.
»Bei Adon, das sind drei oder vier Tage.«
»Wenn wir die Ponys etwas schärfer antreiben, schaffen wir es vielleicht in zwei Tagen.«
Beau schüttelte den Kopf. »Die weiteste Strecke, die wir bisher bewältigt haben, war fünfundzwanzig Meilen lang.«
»Trotzdem sind wir sehr langsam geritten. Vierzig Meilen könnten wir schon schaffen.«
Beau sah ihn zweifelnd an. »Wir sind keine Reiter aus Jord, Wurro, die auf feurigen Hengsten nur so dahinfliegen. Wir sitzen auf einfachen Ponys.«
»Das wird sich zeigen, Beau. Das wird sich zeigen. Aber jetzt reiten wir erst einmal zurück in die Hügel und suchen einen Lagerplatz. Wir beginnen unseren Ritt durch den Ödwald erst morgen früh.«
»Ich suche eine Kiefer«, meinte Beau, »und verwische unsere Spuren.«
Als Tipperton Beau für seine Wache weckte, flüsterte er ihm zu: »Spitz deine Ohren, Wurro, denn es ist stockfinster.«
Beau setzte sich auf und spähte in die Schwärze. Wie hatte Tipperton überhaupt seinen Schlafplatz gefunden? Er gähnte und schaute nach oben. »Nicht mal ein einziges Sternchen funkelt.«
»Die Wolken verdecken die Sterne«, antwortete Tipperton und kroch in seine Schlafrolle. »Und heute ist Neumond.«
Als Beau schließlich den Felsen gefunden hatte, wo sie Wache hielten, hämmerte sein Herz voller böser Vorahnungen. Ich kann nicht das Geringste sehen, denn die Sterne leuchten nicht, und es ist tatsächlich Neumond. Meine Güte, hoffentlich ist das kein böses Omen.
Als es hell wurde und ein trostloser Tag anbrach, war die Bewölkung immer noch undurchdringlich.
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