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Magische Insel

Titel: Magische Insel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. E. Modesitt
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massive Eichentor führte in einen Innenhof; alle Fenster und Türen im Erdgeschoß standen offen, um Luft und Licht hereinzulassen. Kein Mensch weit und breit, es zeigte sich niemand. Wieder spürte ich die unsichtbaren Chaos-Energien über den Innenhof wirbeln.
    Ich schluckte und trat in den Toreingang.
    »Hallo, ist da jemand?« Die Mauern verschluckten meine Worte, anstatt ein Echo zurückzuwerfen.
    Keine Antwort.
    Ich sah mich um, ließ meinen Ängsten und Befürchtungen freien Lauf, doch der Platz blieb leer und stumm. Es hüllte ihn auch kein unsichtbarer Mantel ein, was bei Anwesenheit eines Weißen Ritters der Fall gewesen wäre, er blieb einfach nur leer.
    Ich trat noch einen Schritt weiter in den Toreingang hinein. Meine Beine trugen mich durch das Tor, ich blickte zurück. Die schwere Eichenkonstruktion verblieb in den Angeln – offen.
    Im weißgepflasterten Innenhof, knapp dreißig Ellen im Quadrat, stand lediglich ein Block, um das Aufsteigen zu erleichtern. Über der Remise für die Kutsche hing ein aus Holz geschnitztes Schild. Die Fenster unmittelbar unter dem Dach standen offen. Wie das Tor im Innenhof stand auch die Tür zur Remise offen. Beide schmucklosen Portalflügel, deren Holz mit Goldfirnis überzogen war, standen einen Spalt angelehnt. Auch dort sah ich Bronzeangeln blinken.
    Trotz größter Anstrengung spürte ich kein Leben, nur Chaos, ein tiefes, grundlegendes Chaos, und deutlich ein Weißes Feuer im ersten Stock. Dort musste sich Antonin aufhalten – oder ein anderer Weißer Magier.
    Ich schlug mehrmals mit dem schweren Türklopfer aus Messing an die Tür, das Geräusch hallte in den Gängen hinter der Tür wider.
    Diesmal wartete ich. Man betrat nicht uneingeladen den Herrschaftsbereich von Chaos. Dort stand ich nun – den Stab in der Hand, von einem Fuß auf den anderen tretend –, mit dem Hemdsärmel wischte ich mir den Schweiß von der Stirn, noch immer staunend über die für diese Jahreszeit völlig unangemessene Hitze, und ich fragte mich, ob die Feste ein Vorposten des Chaos oder der dämonischen Hölle war. Unterdessen betrachtete ich die Mauern und das Portal näher.
    Onkel Sardit hätte das Gesicht verzogen, selbst Bostric hätte die Nase gerümpft. An den Ecken schienen die Fugen so groß, dass man ein Messer hineinstecken konnte. Auch zwischen Türstock und Mauer klafften Spalten. Entweder hatte man das Holzportal überhastet eingesetzt, oder der Schreiner war ein schlechter Handwerker gewesen. Der Goldfirnis war stellenweise verdickt wie Tropfen. Man hatte ihn nicht gesandet und auch keinen zweiten Anstrich gemacht.
    Obgleich ich mich mit Steinmetzarbeiten nicht so gut auskannte, sah ich in den Mauern die gleiche Schlamperei. Die Mörtelschichten waren unterschiedlich dick.
    Ich klopfte nochmals.
    Jetzt näherten sich Schritte. Sie kamen so langsam, dass sie wie eine tropfende Dusche klangen. Hatte ich seit Recluce je wieder eine Dusche gesehen?
    Ein dünner Bediensteter, der mir kaum bis zur Schulter reichte, öffnete das Portal ganz und trat zurück. Seine Haare und seine Haut waren weiß, ebenso Jacke, Stiefel und Hosen. Das Weiße in seinen Augen war rötlich gefärbt, nur die Pupillen schienen schwarz.
    »Der Meister heißt dich willkommen.« Die Stimme war heiser und wie mechanisch, als sei ich der erste Mensch, mit dem er seit seinem Tod sprach. Aber vielleicht sah er nur tot aus. Falls er lebte, gab es in ihm nur Chaos-Energie. Ohne diese hätte er aufgehört zu existieren. Das war in sich ein weiteres Paradoxon: Selbst Chaos-Meister mussten ein gewisses Maß Ordnung einsetzen.
    »Ich möchte ihn sprechen.«
    Wortlos ging der Diener über den weißen Marmorboden der Eingangshalle zu einer geschwungenen Prachttreppe.
    Ich packte meinen Stab fester, obgleich mir klar war, dass er mich nur kurzzeitig schützen konnte, und folgte ihm. Wieder war ich von der Arbeit enttäuscht. Es tat mir richtig weh, einen so großartigen Entwurf und ein so gut proportioniertes Bauwerk durch stümperhafte Ausführung entstellt zu sehen. Die Säulen standen nicht genau in der Mitte. Überall hing ein weißer Nebelhauch, der sich noch nicht so verfestigt hatte, dass er sich als weißer Staub auf den nicht ganz ebenen Marmorfliesen niederschlug.
    Noch etwas störte mich. Aber erst, als ich die Treppe zur Hälfte hinaufgegangen war, vermochte ich es zu benennen. Es gab nirgends Dekorationen. Keine Bilder, keine Wandteppiche, ja, überhaupt keine Teppiche.
    Das Gebäude roch seltsam

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