Magische Insel
erfolgreich hindurchreitet, mindert sich ihre Macht.« Justens Stimme klang schwach, aber klar.
Die Straße führte jetzt etwas bergab, als wir weiter nach Süden ritten.
»UUUUUUIIUIIIII!«
Erschrocken über diesen plötzlich so nahen Schrei, blickte ich auf.
Auf einem flüssigen weißen Pflasterstein stand mitten auf der Straße eine strahlende, verkrümmte weiße Gestalt mit roten Streifen.
Ich blinzelte und wollte die Augen senken, doch die Gestalt erschien mir beinahe menschlich … als trüge sie ein weißes Gewand mit roten Streifen … und die Verkrümmung schien nur der Schatten zu sein, den sie hinter sich warf.
»Mein!«
Die Gestalt schien plötzlich aus dem Pflaster herauszuwachsen, das jetzt überall war, so dass der Platz einer breiten Prachtstraße glich, die von rauschenden hohen Eichen gesäumt war.
»Mein!«
Als die zweite Stimme in meinem Kopf nachhallte, hielt ich plötzlich den Stab vor dem Gesicht.
Die Gestalt schlug nach dem Stab, als wolle sie ihn mir aus der Hand reißen, die plötzlich ohne Handschuh das Holz hielt. Der Schlag schleuderte mich nach vorn und zurück in den Sattel … dann war die Gestalt verschwunden.
Ich hustete und würgte. Der schlimmste Gestank, den ich je gerochen hatte, hüllte mich ein: eine Mischung aus verfaultem Fisch, nasser Asche und Bimsstein. Der Nebel brannte mir in den Augen. Ich sah nur einen hellbraunen Fleck vor mir: Gairlochs Mähne.
Irgendwie gelang es mir, den Magen zu entleeren, ohne den Stab oder das Gleichgewicht zu verlieren. Ich hing nur noch im Sattel.
Justen hatte kein Wort gesprochen. Die Pferde marschierten immer noch auf der alten Straße dahin. Als ich wieder richtig sehen und atmen konnte, richtete ich mich auf. Jetzt sah ich, warum Justen nichts gesagt hatte. Er hielt sich immer noch im Sattel, lag aber über Rosenfußes Hals.
Gleichzeitig spürte ich, wie der Druck der Weiße, unter dem ich stärker gelitten hatte als unter der Dunkelheit, um mich herum schwächer wurde. Allerdings hingen die grauen Wolken jetzt tiefer und waren dunkler. Ein Sturm nahte.
Ich trieb Gairloch an, Rosenfuß einzuholen. Mürrisch gehorchte er.
Als ich neben Rosenfuß angekommen war, sah ich erleichtert, dass Justen noch atmete. Seine Arme steckten in Scheiden, die auf beiden Seiten am Hals seines Pferds angebracht waren.
Gedankenwanderung? Hatte der Magier seine Gedanken woandershin ausgeschickt? Die Scheiden waren ein Beweis, dass er darauf vorbereitet war, im Zustand der Bewusstlosigkeit zu reiten. Er atmete ganz flach.
Ich spürte die Wärme des Stabs in der Hand. Irgendwie störte mich das, aber den Grund erkannte ich erst, nachdem wir das Tal hinter uns gelassen hatten – weit hinter uns.
Der Rat der Magier … Fairhaven … ich hatte davon in der Schule gehört. Magister Kerwin hatte etwas erwähnt, das mit diesem Ort zu tun hatte …
UUuuuuiii …
Das Heulen war anfangs nicht richtig zu hören gewesen. Es war nur ein Klang in meinem Kopf. Der Heuler war nicht imstande gewesen, einen Laut auszustoßen, bis ich ihn angeschaut hatte.
In meinem Kopf drehte sich alles. Ich warf wieder einen Blick auf Justen – er atmete immer noch – und überlegte, was ich tun sollte.
Rosenfuß und Gairloch trabten unbeirrt weiter. Ich wartete und fragte mich, wohin die Gedanken des Magiers wohl geflogen sein mochten.
UUuuii …
Das Heulen klang wie ein mentales Wimmern, als würde derjenige, der den Laut ausgestoßen hatte, für immer sterben.
Aber es ging über meinen Verstand, wie jemand, der tot war, sterben konnte. Doch genauso hatte es geklungen.
Beide Pferde trabten auf dem schnurgeraden Weg weiter nach Süden. Dann passierten wir wieder zwei geschmolzene steinerne Stadttore. Hier im Süden waren im leichenblassen Weiß einige dunkle Streifen zu sehen, als hätte ein Teil gebrannt, ehe alles geschmolzen war.
Der beißende Geruch wurde schwächer. Ich steckte den Stab zurück in die Halterung und band ihn wieder fest. Justen lag immer noch auf Rosenfuß – und atmete weiter. Die Pferde setzten einen Fuß vor den anderen.
Da fiel mir etwas auf: Die Innenseiten meiner Lederhandschuhe waren bis zu den Fingerspitzen weggebrannt. Ein Wunder, dass die Reste noch da waren! Doch hatte ich keine Brandblasen an den Händen. Es waren auch keine Brandspuren auf meiner Kleidung zu sehen. Ich zog die Handschuhe aus und stopfte sie in den Gürtel.
Inzwischen war es Nachmittag geworden, und es wurde dunkler. Ich blickte zum Himmel, aber die Wolken
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