Magisches Spiel
Sieb. Ein dicker Tropfen klatschte auf ihre Schulter. Sie blickte finster und versuchte ihn wegzuwischen.
Das geht nicht mehr ab.
Tansy sah sich wieder um. Aus den Wänden sickerte
dasselbe tintenschwarze Zeug. Es war klebrig und dickflüssig. Ihre Füße waren damit überzogen. Was ist das? , fragte sie verwirrt.
Sie nahm Triumphgeheul wahr, das in ihrem Innern widerhallte, eine Form von wildem Jubel, der siegessicher und zugleich selbstzufrieden klang. Sie kniff ihre Lippen zusammen, denn sie war entschlossen, kein Wort zu sagen, um dem verborgenen Beobachter nicht noch mehr Munition zu geben. Sie hatte das Gefühl, ihre Furcht gäbe ihm Auftrieb und er wollte, dass sie seine Überlegenheit anerkannte.
Tansy straffte ihre Schultern und zwang sich zur Zuversicht. Wenn er seine Identität vor ihr verbergen musste, bereiteten ihm ihre Fähigkeiten zweifellos Sorgen. Jetzt brauchte sie nichts weiter zu tun, als ihren Weg aus diesem seltsamen Labyrinth zu finden, in dem sie zu sein schien. Die dicke Schmiere machte ihre Füße schwer und war jetzt bis zu ihren Knöcheln gestiegen. Schatten bewegten sich in dem Schlick. Sie beugte sich hinunter, um sie anzusehen. Das Gesicht ihres Vaters starrte sie aus dem Schlamm an, mit Augen, die vor Entsetzen aufgerissen waren, und mit weit offenem Mund.
Tansy wich erschrocken zurück. Sie berührte ihr Bein, und als sie ihre Hand zurückzog, war sie mit der tintigen Schwärze überzogen. Sie hob sie höher und sah, dass die zähflüssige Masse nicht schwarz, sondern rot war. Ihre Hände waren mit Blut bedeckt.
Daddy!
Sie streckte die Arme nach ihm aus und versuchte ihn an den Schultern zu packen; sie konnte nicht verstehen, warum er dabei war zu ertrinken, während die Flüssigkeit ihr mittlerweile zwar bis an die Knie, aber nicht höher
reichte. Sie versuchte verzweifelt, ihn loszueisen; sie zerrte an seinen Schultern und an seinen Armen, doch er saß fest. Sie konnte nicht untertauchen, da ihr Bein sich nicht von der Stelle rühren wollte. Sie konnte ihn nur festhalten und voller Entsetzen zusehen, wie das Blut stieg und er vor ihren Augen ertrank.
Sie hörte Schreie, ein durchdringendes, gequältes Wehklagen, und sie hörte ihren Vater ein letztes Mal verzweifelt röcheln. Dann ging er unter, und sie konnte ihn nur noch an den Schultern festhalten. Ihre Arme steckten tief in dem Blut, doch sie weigerte sich, ihn loszulassen, obwohl sie wusste, dass es bereits um ihn geschehen war.
Daddys Mädchen sollte nicht so ungezogen sein. Da siehst du, was passiert, wenn es böse ist.
Die Schreie erfüllten ihren Geist; sie schossen durch ihren Kopf und dröhnten in ihren Ohren, um sie ganz und gar einzunehmen. Ihr wurde bewusst, dass sie kämpfte. Sie hieb mit ihren Fäusten mit aller Kraft auf etwas Festes ein, trat um sich und wand sich, bis jemand ihre Handgelenke wie in einem Schraubstock festhielt und ihre Arme auf die Matratze presste.
»Tansy! Schluss jetzt. Du bist in Sicherheit. Es ist ein böser Traum. Du bist in Sicherheit. Sieh mich an. Sieh mich an, Kleines. Du bist bei mir, und dir kann nichts passieren.« Kadens Stimme übertönte die Schreie.
Sie begriff, dass sie es war, die schrie. Ihre Kehle fühlte sich wund und rau an; ihr Herz schlug rasend schnell, und in ihrem Verstand herrschte Chaos. Sie klammerte sich an den Klang seiner Stimme und kämpfte sich aus ihrem Traum. »All dieses Blut, überall Blut.«
Kaden drückte Küsse auf ihr Gesicht. »Hier ist nirgends
Blut. Mach die Augen auf, meine Süße. Vertrau mir. Hier ist kein Blut.«
»Mein Vater?« Ihre Stimme überschlug sich. Sie zwang sich, ihre Lider zu öffnen.
Kadens Gesicht war dicht über ihrem. Real vorhanden. Unverrückbar. Und so stark. Sie blickte hinter ihn und sah, dass sich die drei anderen Schattengänger mit gezogenen Waffen in der Tür drängten. Sie erkannte das Zimmer nicht, aber es war hell, und nirgends war Blut zu sehen.
Ryland, Gator und Nico wandten sich ab und gingen hinaus. Sie schlossen die Tür hinter sich, und als sie allein waren, blickte Tansy wieder in Kadens Gesicht auf. Sie konnte die Furchen sehen, den Ausdruck unumstößlicher Autorität, seinen Mund, der so grimmig war, und seine Augen, die sie angespannt beobachteten und sich ausschließlich auf sie konzentrierten. Aber noch wichtiger war, dass er in ihrem Innern war und sie ausfüllte, bis für Entsetzen und Furcht kein Platz mehr war.
Sein Daumen glitt über ihre Handgelenke, und er ließ widerstrebend ihre
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