Magisches Spiel
verschwand aus seiner Sicht. Kaden verlangsamte sein Tempo nicht, sondern sauste blitzschnell über das offene Gelände, um ebenfalls den Hang zu erreichen, der in die tiefe Schlucht führte. Dichtes Gestrüpp und Bäume bedeckten die Wände des tiefen Einschnitts in die Berge.
Falls es dort einen Pfad gab, war er von Menschenhand geschaffen, und der Sensenmann kannte ihn gut. Kaden zögerte nicht, sondern folgte ihm.
Der schmale Pfad war voller Schlaglöcher und verstreuter Steinbrocken und obendrein mit Gras überwachsen, trotz jemandes Versuchs, daraus etwas zu machen, was Ähnlichkeit mit einem Weg aufwies. Kaden folgte ihm, doch ungeachtet seines enormen Tempos fiel er immer weiter hinter dem Motorrad zurück. Der Sensenmann kannte die Schlucht, jede Kurve und Kehre, Kaden aber musste aufpassen, dass er sich kein Bein brach und auch nicht kopfüber auf den Grund der Schlucht stürzte. Zweige schlugen ihm ins Gesicht, und dornige Sträucher rissen an seinen Armen, doch er rannte trotzdem weiter.
Er sah den Sensenmann einen Hang hinauffahren, der sehr steil wirkte; er jagte das Motorrad über Gestein und durch Sträucher, um nach oben zu gelangen. Einen Moment lang war er verschwunden, und dann wendete er das Motorrad und hielt auf dem Felsgrat an, um auf Kaden hinunterzublicken.
Kaden blieb stehen und machte sich bereit, in Deckung zu springen, falls der Sensenmann sein Gewehr heben sollte. Der Sensenmann starrte mit einem großspurigen Feixen auf Kaden hinunter und riss dann seinen Mittelfinger hoch in die Luft.
Kaden bedachte den Soldaten, der er früher einmal gewesen war, mit einem knappen Salut. Der Sensenmann konnte nicht wissen, dass er geradewegs in eine Falle getrieben worden war, aber Ryland hatte den Angriff perfekt geplant.
Zwei Gewehre gaben simultan Schüsse ab. Die Norton-Zwillinge
feuerten von gegenüberliegenden Seiten, und beide Kugeln trafen den Killer in den Kopf. Die Leiche kippte in Zeitlupe vom Motorrad und rollte den Steilhang hinunter und bis auf den Grund der Schlucht.
»Acht ausgeschaltet«, sagte Kaden leise.
20
»WO ZUM TEUFEL steckt Tansy, Nico?«, fragte Jeff Hollister. Er drehte sich im Kreis und kauerte sich dann hin, um auf der Erde nach Spuren zu suchen. »Genau hier sollte sie sein.«
Nico lief eilig auf einen kleinen Hang zu. »Wir haben den Traum sorgfältig gewoben, und wir hätten sie hineinziehen sollen, als wir diese Sequenz eröffnet haben.«
»Ich habe ihr genau gesagt, woran sie beim Einschlafen denken soll, und ich habe sämtliche Einzelheiten auf Band aufgenommen. Kaden hat sich einverstanden erklärt, ihr die Aufnahme vorzuspielen, während sie einschläft. Sie muss hier sein.«
Nico rannte über den Kamm der schmalen Hügelkette. »Sie ist nicht hier, Jeff. Es ist etwas schiefgegangen.«
Jeff zog die Stirn in Falten, schloss die Augen und suchte die Traumlandschaft ab. »Kein Lebewesen außer uns. Du hast Recht, sie ist nicht hier. Es ist etwas schiefgegangen. Wach auf.«
Nico fand sich auf einem Liegesessel wieder, gegenüber von einem zweiten Liegesessel, auf dem Jeff lag. Gator stand zwischen ihnen und bewachte ihre Körper, während sie traumwanderten. Er musterte die beiden besorgt. »So schnell könnt ihr den Dreckskerl nicht getötet haben.«
»Wir haben sie verloren. Sie war nicht da, Gator«, sagte Nico.
Jeff schlug mit dem Arm auf seine Stuhllehne. »Dafür gibt es nur eine einzige Erklärung: Während wir unseren Traum gewoben haben, hat Dunbar einen anderen Traum gewoben, der ihr vertrauter war, und sie hineingezogen, ehe wir sie in unseren Traum hineinziehen konnten. Er hat sie. Wir müssen sofort zu ihr. Sie wird ihm vollständig ausgeliefert sein. Sie kann nicht traumwandern.«
»Sieh zu, dass du Kaden erreichst. Er wird wissen, ob sie wiederkehrende Träume hat«, sagte Nico. »Beeil dich. Wir haben nicht viel Zeit.«
So viel Blut. Es stieg wie ein Fluss, und die Strömung war stark und drohte sie unter die Oberfläche zu ziehen. Tansy keuchte, drehte sich um und sah in alle Richtungen, weil sie versuchen wollte, Kaden zu finden. Er hatte sie in seinen Armen gehalten; sie erinnerte sich deutlich an das Gefühl von Geborgenheit, das sie in seiner Umarmung verspürt hatte. Seine samtene Stimme flüsterte mit ihr, und sie fühlte seinen Mund auf ihren Lippen, so zart, dass es ihr in der Seele wehtat. Sie wusste, dass er an ihrer Seite war; sie wusste es ganz genau, doch sie konnte ihn nicht mehr fühlen.
Ein Schatten bewegte sich
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