Magnolia Steel – Hexennebel
den Kopf. »Die Vögel fangen ja schon an zu zwitschern und schlafen könnte ich jetzt sowieso nicht mehr.«
»Wie du willst, dann besorge ich uns jetzt eine starke Tasse Kaffee.«
Magnolia lachte. »Hattest du nicht gerade Tee?«
Tante Linette grinste. »Trinken ist gesund«, behauptete sie und winkte mit ihrem Zauberstab.
Wie eine Dampflok bummelten eine Kaffeekanne, zwei Becher, das Milchkännchen und die Zuckerdose ins Zimmer und landeten vor den beiden Hexen klappernd auf dem Tisch.
Magnolia mischte sich ihren Kaffee mit reichlich Milch und schlürfte genüsslich das heiße, bittere Getränk.
»Kannst du mir nicht etwas über die drei Spinnerinnen erzählen?«, bat sie. »Wo kommen sie her, wo gehen sie hin, weshalb sehen sie so seltsam aus?«
Linette blies ihre Wangen auf und dachte nach. »Das würde ich gerne tun«, sagte sie dann. »Leider weiß ich selbst nicht viel über sie. Niemand tut das. Die drei sind sehr geheimnisvoll.« Sie machte eine Pause. »Natürlich gibt es Geschichten und Gerüchte, aber bestätigt ist davon nichts. Die ältesten Geschichten, die von den drei Spinnerinnen berichten, reichen viele hundert Jahre zurück.«
Magnolia bekam große Augen. »Du meinst, die drei sind mehrere hundert Jahre alt?«
Tante Linette nickte. »An eine Welt ohne sie kann ich mich jedenfalls nicht erinnern.«
»Warum sehen sie so seltsam aus?«, fragte Magnolia.
»Du meinst ihre Lippe, den Daumen und den Fuß?«
Magnolia nickte. »Das ist schon schräg, oder?«
Ihre Tante runzelte die Stirn. »Das ist eine Berufskrankheit und kommt vom Spinnen.«
»Ach so.« Magnolia versuchte sich vorzustellen, wie viel man spinnen musste um … so auszusehen.
»Und weiter?«, fragte Magnolia, als ihre Tante schwieg.
Die schüttelte den Kopf.
»Sind es vielleicht Zauberinnen, weil sie Stroh zu Gold spinnen können?«, versuchte es Magnolia noch einmal.
»Vielleicht«, sagte ihre Tante geheimnisvoll. Dann sagte sie nichts mehr.
Magnolia stöhnte unwillig auf. Das war wieder eine typische Antwort à la Tante Linette. Absolut unbefriedigend. Und wie die Sache aussah, blieb ihr vorerst nichts anderes übrig, als sich damit zufriedenzugeben.
Plötzlich hämmerte jemand an die Terrassentür. Verwundert fuhren die beiden Hexen herum, und Linette zückte ihren Zauberstab. »Wer mag das sein, so früh am Morgen?« Sie schnüffelte, dann schob sie den Stab in ihren Ärmel zurück und öffnete die Tür. Ein aufgeregter Kobold zwängte sich herein.
»Sind sie es? Sind sie es wirklich?«, platzte Jeppe heraus.
Linette zwinkerte Magnolia zu und stellte sich dumm. »Ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst.«
»Sag bloß, du weißt nicht, wer vor deiner Haustür parkt«, rief der Kobold.
»Vor meiner Haustür?«, wunderte sich Linette aufreizend langsam.
Magnolia musste kichern, und jetzt bemerkte Jeppe endlich, dass Linette ihn nur auf den Arm nahm. Mit einem Satz stand er auf dem Tisch. »Okay, du weißt also nicht, wer direkt vor deiner Haustür sein Lager aufgeschlagen hat?«
Linette schüttelte grinsend den Kopf.
»Gut, dann hast du sicher auch noch nicht mitbekommen, dass die Flusskobolde Marktstände aufgebaut haben, um das gesamte magische Volk in deinem Garten mit Essen und Getränken zu versorgen. Und du weißt ganz sicher nichts von der vier Meter langen Goldpresse, die gerade am Anrollen ist.« Zufrieden sah der Kobold, wie das überlegene Lächeln aus Linettes Gesicht verschwand und einem zornigen Funkeln Platz machte. Mit drei Sätzen war sie vor der Tür, und auch Magnolia rieb sich verdutzt die Augen. Sie hatte keine Ahnung, wie sich die Sache so schnell hatte herumsprechen können, aber der Platz vor Linettes Garten war tatsächlich voll. Magisches Volk, soweit das Auge reichte. DieFlachsgaben im Arm oder auf Karren gepackt, standen sie schwatzend da und warteten. Und über allem hingen Schwaden von geräuchertem Fisch, den die Flusskobolde zum Verkauf anboten.
Linette schnappte empört nach Luft und stieg auf einen umgekippten Bottich, um besser gesehen zu werden. Sie war sichtlich bemüht, nicht die Beherrschung zu verlieren. »Ich kann mir denken, was euch zu so früher Stunde hierhergelockt hat«, rief sie mit gedämpfter Stimme. »Und ich schwöre euch: Sollte es hier Streit geben oder sollte einer von euch auch nur zu laut schmatzen, werde ich ihn in Granit verwandeln. So wahr ich hier stehe! Die Spinnerinnen dürfen unter keinen Umständen gestört werden. Mein Flachs ist reif, und ich
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