Magnolia Steel - Städing, S: Magnolia Steel
wenig mehr zu reizen, indem sie gegen das Glas klopfte.
»Was sind Alraunen eigentlich?«, fragte sie ihre Tante.
Tante Linette verzog angewidert das Gesicht. »Alraunen sind dumme, egoistische Wesen, die sich einbilden, große Zauberkraft zu besitzen. Kein Mensch, der etwas auf sich hält, würde auch nur ein Wort mit ihnen wechseln.«
»Hohoho«, kreischte der kleine Mann. »Keine Zauberkraft? Und warum bist du dann so scharf auf uns? Du Pocken übersäter Hintern eines Rhinozerosses!!«
»Hör nicht auf das Keifen eines stinkenden, verwarzten Alraunen, dessen Hirn nicht größer ist als ein Fliegenschiss«, gab Tante Linette süßlich lächelnd an Magnolia gewandt zurück und zeigte dem Alraunen demonstrativ den Rücken.
»Oh«, Magnolia schnappte entzückt nach Luft.
»Du aufgeplatzte Eiterbeule am A …«, begann der Alraun von Neuem, doch da nahm sich Herr Langboom entschlossen das Glas, klopfte dreimal hart dagegen und rief: »Schluss mit dem ungehörigen Benehmen. Du wirst wohl oder übel noch eine Weile hierbleiben.« Er hüllte das Glas in einen Lappen und stellte es zurück in das Regal.
»Hier kann man ja direkt etwas lernen«, versuchte Magnolia einen kleinen Scherz. Doch weder Tante Linette noch Herr Langboom waren zu Scherzen aufgelegt. Beide warfen Magnolia einen bösen Blick zu.
»Ich brauche dringend etwas frische Luft«, knirschte Linette, »biszum nächsten Mal, mein Lieber.« Hoch erhobenen Hauptes verließ sie die Apotheke und Magnolia stolperte eilig hinterher.
Die Luft war noch immer drückend.
»Wollen wir uns ein Eis im Gasthaus ›Zur Linde‹ leisten?«, fragte Tante Linette wunderbarerweise. Zehn Minuten später saßen sie zwischen all den Urlaubern im Schatten der Linden und löffelten einen Eisbecher, der Rauschwalder Nussbäumchen hieß.
»Wozu braucht der Apotheker Alraunen?«, fragte Magnolia, während das Krokant angenehm zwischen ihren Zähnen knirschte.
Unwillig runzelte Tante Linette die Stirn. »Alraunen, pah. Am besten man gibt sich überhaupt nicht mit ihnen ab. Leider sind sie in mancher Hinsicht verdammt nützlich, sie machen ihren Besitzer unverwundbar. Schon den Germanen war das bekannt. Sie nannten die Alraunen Allemannentrutz und zogen mit ihnen in die Schlacht.«
Magnolia hing an den Lippen ihrer Tante.
»Der Saft der Alraunenwurzel ist ein ausgezeichnetes Heilmittel bei vielen Krankheiten. In Verbindung mit den richtigen Kräutern ist mir nichts Besseres bekannt. Freiwillig geben die Biester ihn natürlich nicht her. Sie wissen um ihre Macht. Wir sollen vor ihnen zu Kreuze kriechen, sie in Wein baden und all so abstruses Zeug.«
Magnolia kicherte.
»Du lachst, aber so mancher ist schon gestorben, weil eine Alraune gerade nicht in Stimmung war zu helfen. Ab und zu geht uns jedoch eine ins Netz und wird dann zur Ader gelassen, ob es ihr nun passt oder nicht«, fügte Linette grimmig hinzu.
Magnolia dachte kurz nach. »Richtig ist das nicht«, sagte sie dann, »ich meine, schließlich ist es ihr Saft.«
»Aaaah, Krötendreck!«, rief Tante Linette. »Davon verstehst du nichts! Wenn du mit dem Eis fertig bist, möchte ich dir deine zukünftige Schule zeigen. Schließlich öffnet sie schon bald ihre Pforten, um dich in ihrem Schoß willkommen zu heißen.«
»Nee danke, ich meine, ähm … Klasse, ähm …« Magnolias Begeisterung hielt sich eindeutig in Grenzen.
Während sie ihre Räder holten, warf Magnolia schnell ein Auge auf die kleinen Läden, deren Besitzer bereits ihre Auslagen hereinholten. Der Bäcker, der Uhrmacher, der Schuster, die kleine Boutique. Nichts Aufregendes bis auf den Souvenirladen.
A.Tott stand auf dem Schild. Kunsthandwerk, Souvenirs und mehr. Es war das »mehr« nach dem Magnolia sich umsah. Und tatsächlich, in einer Ecke des Schaufensters, versteckt hinter Körben und einer klobigen Bäuerin aus Holz, entdeckte Magnolia das Motiv vom Marktbrunnen. Ohne weiter dem Monolog ihrer Tante über den Segen der Schulpflicht zu lauschen, schlüpfte sie in den Laden.
Er war vollgestopft mit Absonderlichkeiten, die man von außen gar nicht vermutete. Zwar gab es regionale Handwerkskunst in Form von tönernen Krügen und friedlichen Holzschnitzereien, doch die waren bei Weitem in der Minderzahl. Unzählige Voodoomasken aus Afrika und Jamaika zierten die Wände, schaurig von grünem Licht illuminiert. Echte Schrumpfköpfe baumelten an Bändern von der Decke und man musste aufpassen, nicht mit dem Kopf dagegenzustoßen. Magnolia grinste.
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