Magnolia Steel - Städing, S: Magnolia Steel
jetzt Tee trinken? Magnolias Kopf summte. Bildete sie sich etwa alles nur ein? Vielleicht litt sie an schlimmen Halluzinationen? Verstohlen kniff sie sich in den rechten Arm. Umsonst, das bärtige Zwergengesicht, das freundlich mit einer Tasse Tee unter ihrer Nase herumwedelte, löste sich nicht in Luft auf.
»Woher seid ihr euch so sicher, dass ich eine Hexe bin?«, fragte sie krächzend. »Ich meine … Ich … Ich fühle mich eigentlich ganz normal.«
»Du hast das Zeichen«, antwortete Ernestine und schaute Magnolia aus kugelrunden, hellblauen Augen an, als würde das alles erklären.
»Ihr meint das Feuermal unter meinem Ohr?«
»Den Kuss der Banshee«, verbesserte Ernestine.
»Den Kuss der was?« Irgendwo hatte Magnolia dieses Wort schon einmal gehört. Für einen Moment waren alle still. Magnolia nippte an ihrer Tasse Tee, während ihre Gedanken rotierten. »Habe ich euch richtig verstanden? Ich kann auf einem Besen reiten und zaubern und das ganze Zeug?«, fragte sie dann.
Tante Linette schenkte ihr ein erleichtertes Zahnlächeln. »Kommt darauf an, wie geschickt du bist, Kätzchen.«
Magnolia versuchte vorsichtig, sich mit dem Gedanken anzufreunden. So ein bisschen Hexerei konnte durchaus Vorteile haben, man brauchte nur einmal an die Schule zu denken oder an Menschen, die man auf den Tod nicht ausstehen konnte.
Mitten in diesen angenehmen Gedanken krachte ein ohrenbetäubender Knall, so als wäre vor dem Haus etwas explodiert.
Für eine Sekunde sahen sich die Freunde erschrocken an, dann griffen die Zwerge nach Besen und Schürhaken und stürmten hinaus. Auf ihren Gesichtern stand wilde Entschlossenheit und Magnoliakonnte sich vorstellen, was für schreckliche Gegner sie waren, wenn sie statt Besen, Äxte und Spitzhacken als Waffen führten.
Linette war ebenfalls aufgesprungen und hatte Magnolia schützend an sich gezogen.
»Wir passen auf das Kind auf«, versprach Greta, eine weitere Zwergenfrau, »geh du und sieh nach, was dir in die Falle gegangen ist.«
Linette eilte in den Garten und die Frauen bildeten einen engen Kreis um Magnolia. Dabei sagten sie so beruhigende Worte wie: »Wir werden nicht zulassen, dass er dich verschleppt!« und »Unsere Stricknadeln können fürchterliche Waffen sein!« oder «Weißt du noch, Greta, wie ich damals einem Guhl das Auge ausgestochen habe?«
Stiefel stampften durch die Diele und Linette und die Zwerge kehrten zurück. Jacko trug einen grotesk verrenkten Kobold über der Schulter und ließ ihn mitten in der Stube unsanft zu Boden fallen.
Es war Jeppe. Wie steif gefroren lag er da, nur seine Augen wanderten flehentlich von einem zum anderen.
»Ich schlage vor, wir werfen ihn in den Bach«, schlug ein Zwerg namens Winifried vor. Er war besonders kräftig und eine Zopfspange schmückte seinen blonden Bart. »Lassen wir ihn einfach bis Sonnenaufgang liegen«, meinte ein anderer, »dann hat sich die Sache von selber erledigt.«
Ängstlich blickte Jeppe von einem zum anderen.
Endlich zeigte Linette Mitleid. Sie zückte einen dünnen silbernen Stab und piekste ihn damit in den Bauch. Glitzernde grüne Funken breiteten sich über dem Kobold aus und augenblicklich konnte er seinen Körper wieder bewegen. Jeppe hatte noch nicht einmal Luft geholt, da fuhr Linette ihn auch schon an. »Was hast du hier schon wieder verloren, du nichtsnutziger kleiner Furz!? Hast deine großen Ohren zum Lauschen ausgefahren, was?«
»Nnnn … nein, Linette«, stammelte Jeppe mit erhobenen Händen. »Ich schwöre dir, so war es nicht.«
»Wie war es dann?«, blaffte ihn nun auch Jacko an. »Wolltest du etwa …«
»Lassen wir ihn ausreden«, verlangte Linette. »Also?«
Dankbar sah Jeppe sie an. »Ich kam ganz zufällig an deinem Haus vorbei, Linette. Da habe ich ihn gesehen.«
»Wen hast du gesehen?«, fragten alle wie aus einem Mund.
»Den Schattenkrieger«, flüsterte Jeppe und sah sich ängstlich um. »Er stand reglos vor deinem Haus und hatte den Kopf in den Nacken gelegt, so als würde er wittern. Sein schwarzes Skelett verschmolz völlig mit der dunklen Umgebung. Wären nicht seine rot glühenden Augen gewesen … Ich hätte ihn wohl kaum bemerkt.« Jeppe liebte ein so aufmerksames Publikum. »Ich wagte nicht zu atmen. Es war entsetzlich, ein Gefühl, das ich euch kaum beschreiben kann.«
»Du schweifst ab«, ermahnte ihn Linette barsch. »Was hat ihn vertrieben?«
Jeppe zuckte die Schultern. »Ich nehme an er hat den Bann gespürt, denn auf einmal drehte er um und
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