Magnolia Steel - Städing, S: Magnolia Steel
Eingang zum Tunnel. Und dort …«, er fuhr mit dem Finger die Karte entlang, »stößt er auf den Brunnenschacht. Du kletterst hinauf und stehst schon in der Burg. Die Gemächer des Grafen befinden sich im ersten Stock.«
»Klingt, als wäre es ganz einfach. Lass mich einmal selber sehen.« Linette beugte sich tief über die Karte. Sie prägte sich jede Tür und jede Treppe genau ein. Direkt auf der gegenüberliegenden Seite des Brunnens befand sich die Küche. Hier musste sie besonders vorsichtig sein, denn sie musste damit rechnen, dort auf Personal zu stoßen.
»Wird schon schiefgehen«, sagte sie dann mit einem tapferen Lächeln.
Jacko war sofort besorgt. »Linette, ich bitte dich, wenn du irgendwelche Zweifel hast, lass es sein. Es wäre furchtbar dich zu verlieren.«
»Sch …« Linette legte einen Finger auf den Mund. »Lass mich jetzt besser allein, ich habe noch viel vorzubereiten. Wir treffen uns heute Abend vor deinem Haus und du führst mich in den Tunnel. Den Rest erledige ich.«
Zwanzigstes Kapitel
Auf der Burg
Der Destillierapparat war zwar altersschwach, doch nun stand er einsatzbereit da. Linette krempelte die Ärmel auf, holte einmal tief Luft und fing an, den Verwandlungstrunk zu brauen.
Nacheinander gab sie die geheimen Zutaten in das runde Glas: zwei Esslöffel Spinnenbein, dreizehn Tropfen Mückenblut, einen Spritzer Koboldwut, zum Schluss einen Entsetzensschrei. Die Entsetzensschreie bewahrte Linette in einem Glas mit doppeltem Schraubverschluss auf. Man musste einfach zu viel erklären, wenn aus Versehen einer entwischte. Das Ganze würzte sie mit einer Messerspitze Bitterling und Natternwurz und köchelte es anschließend auf kleiner Flamme, bis nur noch eine braune, sirupartige Masse am Boden des Glases übrig blieb.
Zu guter Letzt fügte sie Alraunensaft und Basiliskenblut dazu. Das war nicht ungefährlich, denn verbanden sich Alraunensaft und Basiliskenblut, schäumte es brodelnd auf und ätzte tiefe Löcher in alles, was damit in Berührung kam.
Glücklicherweise hatte Linette Erfahrung im Brauen solch komplizierter Zaubertrünke und so hielt sie schließlich ein Glas mit schwarzer Flüssigkeit in den Händen, ohne dass es vorher zu irgendwelchen Zwischenfällen gekommen wäre.
»Ich bin dir näher, als du denkst, Graf«, sagte sie düster.
Bevor sie sich auf den Weg machte, überlegte Linette, ob sie Magnolia in ihr Vorhaben einweihen sollte. Sie verwarf diesen Gedanken jedoch sofort. Weshalb sollte sie ihre Nichte unnötigbeunruhigen? Also strich sie ihr nur kurz über den Kopf und sagte: »Ich muss noch einmal weg, Maggie. Ähm, die Telefonnummer deiner Mutter hast du doch, oder?«
Das »Maggie« war es, was Magnolia von ihrem Buch »Gifttrünke der Azteken« aufblicken ließ. Sie sah ihre Tante neugierig an. »Hab ich. Wo gehst du hin?«
»Ich werde im Dorf gebraucht. Es wird eine Weile dauern, bis ich wieder zurück bin, also warte nicht auf mich.«
Magnolia war es gewohnt, dass ihre Tante plötzlich im Dorf gebraucht wurde. Eine innere Stimme sagte ihr jedoch, dass es heute Abend anders war.
»Kann ich mitkommen?«, fragte sie deshalb.
»Du würdest mir gerade noch fehlen«, schnaubte ihre Tante. »Nein, du bleibst schön hier und gehst rechtzeitig ins Bett.«
Das war nun wieder typisch Tante Linette. Beruhigt widmete sich Magnolia wieder ihrem Buch.
Auf die Minute genau stand Linette zur verabredeten Zeit vor Jackos Tür.
Gerade hob sie die Hand, um anzuklopfen, als von innen geöffnet wurde und vier dunkle, in Kapuzen gehüllte Gestalten erschrocken vor ihr zurückwichen.
»Linette«, zischte Jacko erbost, »weshalb machst du dich nicht irgendwie bemerkbar? Willst du uns zu Tode erschrecken?«
Die anderen murrten zustimmend.
»Unsinn!«, erwiderte Linette unwirsch. »Wir haben keine Zeit zu verlieren, also zeigt mir den Weg zum Stollen.«
Unter einer der Kapuzen steckte der alte Brohmer, er setzte sich nun an die Spitze der verschwörerischen Gesellschaft und führte sie aus dem Dorf hinaus. Ab und zu knackte ein morscher Zweig unter ihren Füßen, sonst war alles still. Niemand sprach ein Wort.
Der Einstieg zum Stollen lag in einem Dickicht aus Farn verborgen. Noch immer schweigend stiegen sie die moosigen, glitschigen Stufen hinab und wagten erst hier unten die Laternen anzuzünden. Jetzt gaben sich auch die anderen beiden vermummten Begleiter zu erkennen. Es waren Dagobert Paff und Ottmar Wiesenhain. Der eine war Lehrer, der andere Steinmetz und beide
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