Magnus Jonson 01 - Fluch
darüber geredet?«
Schweigen.
»Hat er dir verraten, was er gefunden hatte?«
»Ich beantworte keine weiteren Fragen«, sagte Jubb. »Ich möchte zurück ins Hotel.«
»Das geht nicht«, erwiderte Baldur. »Du bleibst hier. Du bist verhaftet.«
Jubb runzelte die Stirn. »In dem Fall möchte ich mit jemandem von der britischen Botschaft sprechen.«
»Du bist Verdächtiger in einer Mordermittlung. Wir können die Britische Botschaft davon unterrichten, dass wir dich hier festhalten, aber du hast nicht das Recht, jemanden von dort zu sprechen. Wir können dir einen Anwalt besorgen, wenn du willst.«
»Das will ich allerdings. Und bis der hier ist, sage ich nichts mehr.« Steve Jubb blieb auf seinem Stuhl sitzen, ein kräftiger Mann, die Arme vor der Brust verschränkt, den Unterkiefer vorgeschoben, reglos.
Effizient und resolut leitete Baldur eine kurze morgendliche Besprechung. Ein halbes Dutzend Mitarbeiter war anwesend, dazu Magnus, die stellvertretende Staatsanwältin, eine junge rothaarige Frau namens Rannveig, sowie Hauptkommissar Þorkell Holm, der Leiter der Mordkommission der Polizei Reykjavík. Þorkell war Anfang sechzig, hatte ein rundes, freundliches Gesicht und leuchtende rosa Wangen. Er verstand sich gut mit seinen Beamten, hielt sich lieber im Hintergrund und hörte Baldur, der für die Ermittlung verantwortlich war, aufmerksam zu.
Im Raum lag eine gewisse Erwartung, eine Begeisterung für die anstehende Aufgabe. Es war Samstagmorgen. Ein langes Wochenende voll Arbeit lag vor den Beamten, aber sie schienen es kaum abwarten zu können.
Magnus spürte, dass er sich von der Aufregung anstecken ließ. Árni hatte ihn am Abend zuvor ins Hotel gefahren. Er hatte sich etwas zu essen geholt und war dann ins Bett gegangen – es war ein langer Tag gewesen, und er war immer noch angeschlagen von der Schießerei in Boston und ihren Folgen. Zumindest hatte er gut geschlafen. Es war ein beruhigendes Gefühl, für Sotos Bande unerreichbar zu sein. Magnus wollte Colby auf jeden Fall eine Nachricht zukommen lassen, aber dafür musste er erst mal einen Computer haben. Momentan war er völlig gefesselt von der Ermittlung im Mordfall des Professors.
Ebenso gefesselt waren die Polizisten im Raum von seiner Person. Als Magnus hereinkam, schauten ihn alle an: Niemand lächelte, so wie man es von Amerikanern kannte, die einen Fremden begrüßten. Magnus wusste nicht, ob es sich um die typische anfänglicheZurückhaltung der Isländer oder um etwas Feindseliges handelte. Er beschloss, es zu ignorieren. Dennoch freute er sich über das offene Lächeln von Árni neben sich.
»Unser Verdächtiger schweigt noch immer«, berichtete Baldur. »Die britische Polizei hat sich gemeldet: Er hat keine Vorstrafen, abgesehen von zwei Verurteilungen wegen Cannabisbesitzes in den siebziger Jahren. Rannveig wird ihn heute Vormittag dem Richter vorführen, damit wir die Erlaubnis bekommen, ihn für die nächsten Wochen in Haft zu halten.«
»Haben wir genügend Beweise dafür?«, fragte Magnus.
Baldur runzelte wegen der Unterbrechung die Stirn. »Steve Jubb war der Letzte, der Agnar lebend gesehen hat. Er war ungefähr zu der Zeit am Tatort, als der Mord begangen wurde. Wir wissen, dass er mit Agnar irgendein Geschäft besprach, aber er will uns nicht sagen, worum es sich handelte. Er verheimlicht uns etwas, und solange er uns nichts verrät, gehen wir davon aus, dass er der Mörder ist. Ich würde sagen, wir haben genug, um ihn festzuhalten, und das wird der Richter auch so sehen.«
»Hört sich gut an«, sagte Magnus. Das meinte er ernst. In den Staaten würden diese Indizien nicht annähernd ausreichen, um einen Verdächtigen festzuhalten, aber Magnus lernte so langsam das isländische System schätzen.
Baldur nickte knapp. »So, was haben wir inzwischen herausbekommen?«
Zwei Beamte hatten Agnars Ehefrau Linda in ihrem Haus in Seltjarnarnes befragt, einem Vorort von Reykjavík. Sie war erschüttert. Das Paar war seit sieben Jahren verheiratet und hatte zwei kleine Kinder. Es war Agnars zweite Ehe; als sie sich kennenlernten, war er bereits geschieden. Wie auch seine erste Frau war Linda eine seiner Studentinnen gewesen. Er war ins Ferienhaus gefahren, um in Ruhe arbeiten zu können – offenbar rückte der Abgabetermin einer Übersetzung näher. Seit zwei Wochen hielt er sich schon dort auf. Seine Frau, die allein mit den Kindern in Seltjarnarnes zurückgeblieben war, war nicht gerade erfreut dar über gewesen.
Auf Agnars
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