Magnus Jonson 01 - Fluch
Urgroßvater Ísildur hieß. Väterlicherseits. Vielleicht wollte mein Vater seinem Großvater damit eine Ehre erweisen. Ihr wisst ja, dass Namen in Familien oft wieder aufgenommen werden.«
»Da würden wir gern deine Eltern fragen«, sagte Magnus. »Kannst du uns ihre Adresse geben?«
Ingileif seufzte. »Die sind leider beide tot. Mein Vater starb 1992, meine Mutter letztes Jahr.«
»Das tut mir leid«, sagte Magnus und meinte es auch so. Ingileif musste ungefähr Ende zwanzig und daher beim Verlust ihres Vaters im selben Alter gewesen sein wie Magnus, als er seine Mutter verlor.
»War einer von beiden vielleicht ein Fan von Der Herr der Ringe ?«
»Das glaube ich nicht«, sagte Ingileif. »Ich meine, wir hatten das Buch wohl im Regal, also hatte es mindestens einer von ihnen gelesen, aber das war zu Hause nie Thema.«
»Und du? Hast du es gelesen?«
»Als Kind.«
»Hast du die Filme gesehen?«
»Nur den ersten. Die anderen beiden nicht mehr. Er gefiel mir nicht so recht. Kennt man einen Ork, kennt man alle.«
Magnus schwieg, wartete auf mehr. Ingileifs blasse Wangen erröteten.
»Hast du schon mal von einem Engländer namens Steve Jubb gehört?«
Ingileif schüttelte nachdrücklich den Kopf. »Nein.«
Magnus warf Vigdís einen kurzen Blick zu. Es war Zeit, auf Ingileif und Agnar zurückzukommen. »Ingileif, hattest du eine Affäre mit Agnar?«, fragte Vigdís.
»Nein«, gab Ingileif wütend zurück. »Nein, natürlich nicht.« »Aber du fandest ihn charmant?«
»Ja, schon. Er war immer charmant gewesen, daran hatte sich nichts geändert.«
»Hattest du früher mal eine Affäre mit ihm?«, fragte Magnus. »Nein«, sagte Ingileif, wieder mit heiserer Stimme. Ihre Finger wanderten zu ihrem Ohrring.
»Ingileif, dies ist eine Mordermittlung«, sagte Vigdís langsam und bestimmt. »Wenn du uns belügst, können wir dich festnehmen. Das ist eine ernste Angelegenheit, sei dir dessen bewusst. Also, noch einmal: Hattest du früher eine Affäre mit Agnar?«
Ingileif biss sich auf die Lippe und errötete. Sie holte tief Luft. »Also gut. Ja, ich hatte eine Affäre mit Agnar, als ich bei ihm studierte. Er war damals von seiner ersten Frau geschieden, das war vor seiner zweiten Ehe. Und eine Affäre kann man es auch kaum nennen, wir haben ein paarmal miteinander geschlafen, mehr nicht.«
»Hast du Schluss gemacht oder er?«
»Ich war das wohl. Er hatte früher eine große Wirkung auf Frauen; hatte er immer noch, als ich ihn letztens traf. Agnar besaß so eine Art, dass man sich als etwas Besonderes fühlte, intellektuell interessant und schön. Aber im Grunde genommen war er ein Herumtreiber. Er wollte mit so vielen Mädchen schlafen wie möglich, nur um sich selbst zu beweisen, was für ein toller Hecht er war. Er war unglaublich eitel. Als ich ihn das letzte Mal traf, versuchte er, mit mir zu flirten, aber ich durchschaute ihn. Ich fange nichts mit verheirateten Männern an.«
»Eine letzte Frage«, sagte Vigdís. »Wo warst du am Freitagabend?«
Ingileifs Schultern sackten leicht ab, sie entspannte sich, so als sei das eine für sie einfach zu beantwortende Frage. »Ich war auf der Party einer Freundin, die eine Ausstellung ihrer Gemälde eröffnet hat. Von ungefähr acht Uhr bis gegen halb zwölf. Da waren zig Leute, die mich kennen. Meine Freundin heißt Frída Jósefsdóttir. Ich kann euch ihre Adresse und Telefonnummer geben, wenn ihr möchtet.«
»Bitte«, sagte Vigdís und schob ihr Notizbuch hinüber. Ingileif schrieb auf eine leere Seite und reichte es zurück.
»Und danach?«, fragte Vigdís.
»Danach?«
»Als du die Galerie verlassen hast.«
Ingileif lächelte beschämt. »Bin ich nach Hause gegangen. Aber nicht allein.«
»Und wer war bei dir?«
»Lárus Þorvaldsson.«
»Ist das dein fester Freund?«
»Eher nicht«, sagte Ingileif. »Er ist Maler; wir kennen uns schon seit Jahren. Wir verbringen hin und wieder eine Nacht zusammen. Ihr wisst ja, wie das so ist. Und nein, er ist nicht verheiratet.«
Zum ersten Mal während der ganzen Unterhaltung wirkte Ingileif vollkommen unbefangen. Vigdís war ebenso locker. Offenbar wusste auch sie, wie das so ist.
Sie reichte noch einmal das Notizbuch hinüber, und Ingileif schrieb die Angaben zu Lárus hinein.
»Sie ist nicht gerade gut im Lügen«, sagte Magnus, als er mit Vigdís wieder auf der Straße war.
»Ich wusste genau, dass da was zwischen ihr und Agnar gelaufen ist.«
»Aber sie hat ganz überzeugend gewirkt, als sie sagte, dass
Weitere Kostenlose Bücher