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Magnus Jonson 02 - Wut

Magnus Jonson 02 - Wut

Titel: Magnus Jonson 02 - Wut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ridpath
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Er gehörte hier eigentlich gar nicht hin; er gehörte auf die Straßen von Boston, zu Leichen mit Schusswunden.
    Er könnte zurück nach Boston gehen und Ingileif nach Deutschland. Das wäre gut für sie. Aber es wäre auch schade. Magnus wusste immer noch nicht genau, was für eine Beziehung er mit ihr führte. Dass sie wegen ihm in Island bleiben wollte, hatte ihn überrascht. Und gefreut.
    Er ging in Richtung Bogartún, die breite Straße mit den hoch aufragenden neuen Bankzentralen. Davor befand sich Höfdi-Haus auf seiner grünen Insel, umgeben von Straßen und modernen Bürogebäuden. Es war ein elegantes weißes Herrenhaus aus Holz, erbaut zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts und berühmt, weil sich Reagan und Gorbatschow dort 1986 getroffen hatten. Außerdem war es der Ort, wo Ingileif ihn gebeten hatte, sich mit ihr zu verabreden, um über den Fall zu sprechen, an dem er im vergangenen Frühjahr nach seiner Ankunft in Island gearbeitet hatte.
Der Ort, wo Ingileif für Magnus von einer Zeugin zu etwas anderem geworden war.
    Er spürte, dass das Höfdi-Haus immer mit ihr verbunden sein würde.
    Magnus überquerte die Straße und setzte sich auf die Mauer vor dem Herrenhaus. Er holte sein Telefon wieder hervor und rief Ingileif an.
    »Hi, ich bin’s.«
    »Oh, hallo, Magnús, ich habe gerade einen Kunden.«
    »Okay. Hast du Lust, heute Abend essen zu gehen?«
    »Würde ich gern, aber ich kann nicht. Ich gehe zu der öffentlichen Icesave-Kundgebung auf dem Austurvöllur-Platz.«
    »Ach ja?«
    »Ja. Tu nicht so überrascht! Ich kann anschließend zu dir kommen. Wird aber vielleicht spät. Sehr spät. Muss jetzt auflegen.«
    Das war sonderbar. Und typisch für sie. Eine Ausstellungseröffnung in einer Galerie oder eine Party für schöne Menschen, das hätte Magnus ja verstanden. Aber eine politische Kundgebung? Auch wenn Ingileif die Wut ihrer Landleute über die Icesave-Entschädigung teilte, hatte sie bis zu diesem Moment kein Interesse gezeigt, sich aktiv zu beteiligen. Und was sollte die Bemerkung, es könne sehr spät werden?
    Magnus schüttelte den Kopf. Was hatte sie tatsächlich vor? Er wusste nie genau, wie er bei Ingileif dran war. Das verunsicherte ihn.
    Er überlegte, was er als Nächstes tun sollte. Wahrscheinlich sollte er sich im Verlauf des Tages mal an der Polizeiakademie blicken lassen. Erwarten würde man ihn da nicht, aber vielleicht tauchte der Polizeichef ja auf. Magnus hatte seinen Unterricht in dieser Woche abgesagt, hatte aber einen Jurakurs am frühen Nachmittag, an dem er teilnehmen sollte: Wahrscheinlich ging er besser hin. Bis dahin waren es jedoch noch mehrere Stunden.
    Er konnte den Fall Óskar Gunnarsson nicht einfach aufgeben. Außerdem war er unglaublich gespannt, die dicke Akte über den
Mord an Benedikt Jóhannesson zu lesen. Das Café auf der Bogartún, wo er Sibba getroffen hatte, war ganz in der Nähe. Er beschloss, eine Tasse Kaffee zu holen und sich das Ganze mal genauer anzusehen.

    Benedikt wurde zwischen Weihnachten und Silvester 1985 ermordet, genauer gesagt: am 28. Dezember. Er wohnte auf der Bárugata, einer Straße in Vesturbær, westlich des Zentrums. Es war fünf Uhr nachmittags, seit anderthalb Stunden war es bereits dunkel, und es schneite.
    Benedikts Frau Lilja war zu Besuch bei ihrer Mutter, die einige Straßen weiter wohnte. Als sie zwei Stunden später zurückkam, fand sie ihren Mann tot im Flur.
    Selbstverständlich war eine umfangreiche Mordermittlung ausgelöst worden, geleitet von einem Inspector Snorri Guðmundsson, dem jetzigen Großen Lachs persönlich. Sie war gründlich, mein Gott, es ging nicht gründlicher. Aufgrund des Schnees waren nur sehr wenige Menschen unterwegs, und wer sich nach draußen getraut hatte, konnte nichts sehen. Die einzige Person in der Nähe des Hauses, die sich zur fraglichen Zeit auffällig verhalten hatte, war ein vierzehnjähriger Schüler. Er behauptete, er hätte Schutz gesucht, um sich eine Zigarette anzuzünden. Nichts, was Snorri tat, konnte ihn von seiner Geschichte abbringen.
    Die Spurensicherung brachte keine Ergebnisse, doch da der Fall fünfundzwanzig Jahre zurücklag, war der Bericht weniger präzise, als Magnus es gewöhnt war. Es gab keine Anzeichen für einen Einbruch, was bedeutete, dass Benedikt seinen Mörder gekannt haben musste. Im Flur fand man mehrere Fußabdrücke, was ein wenig ungewöhnlich war. In Island zogen Gäste immer ihre Schuhe aus, wenn sie ein Haus betraten. Schuhgröße 43. Das

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