Magnus Jonson 02 - Wut
»Es passt alles zusammen. Die Isländer hassen Julian Lister. Seit der Kreditklemme. Er hat ihre gesamten Einlagen konfisziert und das Volk eine Horde Terroristen genannt.«
»Na ja, zigtausend Menschen hassen Julian Lister. Was soll das beweisen?«
Josh senkte die Stimme. »Ihr wisst doch, dass ich im Sommer als wissenschaftliche Hilfskraft im Unterhaus gearbeitet habe, oder? Ich war bei Anita Norris, ihres Zeichens Staatssekretärin im Finanzministerium. Und Zak Samúelsson, der Isländer, hat mich gefragt, wo Julian Lister im Sommer Urlaub machen würde. Ich meine, was ist das denn für eine Frage?«
»Du willst also andeuten, dass Zak auf ihn geschossen hat?«
»Er kann es auch Freunden in Island erzählt haben.«
Sophie bekam rote Ohren. Alle am Tisch starrten sie an, nur Josh nicht, der offenbar als Einziger nicht wusste, dass sie mit Zak zusammen war.
»Was ist?«, sagte er, als er merkte, dass etwas nicht stimmte.
»Du bist so ein Arschloch, Josh«, sagte Tori.
»Was hältst du davon, Sophie?«, sprach einer der anderen Jungs namens Eddie sie an. Die Frage war gut gemeint, Eddie wollte Sophie die Möglichkeit geben, ihren Freund zu verteidigen.
»Das ergibt doch überhaupt keinen Sinn«, sagte Sophie. »Isländer tun so was nicht.«
»Ich wette, dass Zak sich darüber gefreut hat, was mit Lister passiert ist«, sagte Josh, der es noch immer nicht verstand.
»Hat er nicht«, widersprach Sophie. »Ich kenne ihn, und du nicht. Er hatte nichts damit zu tun.«
»Genau, Josh«, sagte Tori. »Du redest einen Haufen Scheiße. Reiß die Klappe nicht so weit auf, wenn es um Sachen geht, von denen du keine Ahnung hast.«
Jetzt fiel der Groschen. Josh sah die anderen an. »Tut mir leid. Ich wusste nicht, dass er ein Freund von dir ist«, sagte er zu Sophie.
Sie lächelte schwach. »Schon gut«, sagte sie.
Doch sobald das Gespräch sich um etwas anderes drehte, trank sie aus und huschte davon. Sie wollte nur noch weg.
Magnus ging in seinem kleinen Zimmer auf und ab. Er fühlte sich eingesperrt. Árni hatte auf Frikki gewartet, und als der schließlich mit seiner Freundin nach Hause gekommen war, hatte Árni ihn aufs Revier mitgenommen. Im Moment befragten Árni und Vigdís den Jungen. Magnus wäre gern dabei. Und wenn das schon nicht möglich war, wollte er wenigstens wissen, was Frikki sagte. Aber er konnte die beiden nicht stören; er musste einfach abwarten.
Magnus hatte Sharon Piper angerufen, um zu erfahren, ob es etwas Neues über das französische Paar gab, das Urlaub in Indien machte. Noch nichts. Magnus fluchte, als er auflegte. Eine übereinstimmende mündliche Beschreibung reichte einfach nicht aus. Magnus musste Ísak dringend identifiziert bekommen, wenn er wieder zurück an den Fall wollte. Ohne eine Identifizierung war jeder Versuch, Óskars Tod mit Island in Verbindung zu bringen, reine Spekulation. Wie Snorri und Baldur ihm klarmachen würden. Da Magnus Sharon schon einmal angerufen hatte, konnte er sie kaum ein weiteres Mal belästigen.
Es wurde dunkel, und er bekam Hunger. Er nahm seinen Mantel und ging nach draußen. Um die Ecke den Hügel hoch in Richtung Kirche war die Vitabar, die in seiner Nachbarschaft einem Imbiss am nächsten kam. Magnus bestellte einen Hamburger und ein Bier. Den Hamburger schlang er zu schnell hinunter.
Anstatt in sein Zimmer zurückzugehen, schlenderte er durch
die Straßen. Wenn ihn jemand erreichen wollte, hatte er ja sein Handy dabei. Irgendwann stand er auf dem Platz vor der Hallgrímskirkja. Hoch strebte die Kirche vor ihm empor, beleuchtet vor dem Nachthimmel. Davor blickte das Denkmal von Leif Eíríksson, dem ersten Europäer, der Amerika entdeckt hatte, über die Stadt gen Westen.
Vielleicht wollte er Magnus heimschicken.
Sein Telefon klingelte. Es war Vigdís.
»Hi! Hat er was gesagt?«, fragte Magnus.
»Nein«, entgegnete sie.
»Was soll das heißen? Hat er kein einziges Wort gesagt?«
»Nein. Gar nichts.«
»Wie, hat er einen Anwalt oder was?«
»Er will keinen. Er ist sonderbar. Sitzt einfach da und sieht elend aus. Nicht überheblich oder großspurig, wie sich manche geben, wenn sie glauben, man würde nichts aus ihnen rausbekommen und hätte keine Handhabe. Der hier sieht aus, als würde er jeden Moment losheulen.«
»Und? Hast du ihn zum Heulen gebracht?«
»He, Magnús, sei vorsichtig«, mahnte Vigdís.
»Schon gut.« Sie hatte ja recht. Magnus wusste, dass sie eine gute Polizistin war. Er musste ihr vertrauen. Und niemand war
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