Magnus Jonson 02 - Wut
niemanden reinlassen. Und dann nimmst du Sindri fest.«
»Ich kann Sindri nicht verhaften«, sagte Magnus.
»Warum nicht?«, fragte Ingileif. »Er hat doch alles gestanden, oder? Ich kann vor Gericht bezeugen, was er mir erzählt hat.«
»Als Beweis ist das nutzlos«, sagte Magnus barsch.
»Was soll das heißen: nutzlos? Du bist ja nur neidisch.«
»Neidisch? Warum sollte ich neidisch sein?«
»Du bist neidisch, weil ich an einem Abend mehr herausgefunden habe als du in einer ganzen Woche.«
»Das ist ja lächerlich!«, rief Magnus. Am meisten wurmte ihn, dass ein Funke Wahrheit in Ingileifs Behauptung steckte. Er war tatsächlich neidisch. Aber sie hatte illegale Methoden angewandt: Sie hatte betrogen, nicht nur das Gesetz, sondern auch ihn. »Diese Beweise können wir nicht verwenden. Und wenn die Verteidigung erfährt, dass es eine Verbindung zwischen dir und mir gibt, was sie tun wird, dann kann es gut sein, dass die Anklage aufgrund des Provozierens einer strafbaren Handlung abgewiesen wird.«
In Wahrheit hatte Magnus keine Ahnung, ob das in Island so war. In Amerika wäre es auf jeden Fall ein Riesenproblem.
»Wieso bist du sauer auf mich, obwohl ich dir geholfen habe?«, fragte Ingileif. »Kannst du dir vorstellen, wie eklig es ist, sich stundenlang mit diesem alten Lüstling zu unterhalten, sich ständig von ihm betatschen zu lassen, nur weil ich dir helfen will?«
»Er hat dich angefasst?«, fragte Magnus.
»Jetzt bist du wirklich neidisch!«
»Ja, ich bin verdammt noch mal neidisch!«, schrie Magnus. »Ich
hab dich nicht gebeten, so was zu tun. Ich hab dich nicht gebeten, Sindri zu verführen.«
»Ich hab ihn doch nicht richtig verführt. Außerdem kann ich reden, mit wem ich will.«
»Reden schon. Aber alles andere?«
»Willst du behaupten, dass ich mit anderen Männern schlafe?«
»Weiß ich nicht«, sagte Magnus. Doch es war eine Frage, die immer in seinem Hinterkopf nagte. »Vielleicht. Stimmt es denn?«
Ingileif starrte ihn an. »Mach dein Hemd wieder zu. Ich hau ab.«
Kurz erwog Magnus, sie zum Bleiben zu überreden, doch er verwarf die Idee sofort wieder. Nach ihren Regeln konnte sie kommen und gehen, wie es ihr gefiel. Dann sollte es auch so sein.
Sie ging und schlug die Tür hinter sich zu.
32
Mittwoch, 23. September 2009
Harpa roch den Kaffee. Sie öffnete die Augen. Blinzelte.
Ihr Kopf fühlte sich schwer an vom Schlaf, sie war verwirrt. Über ihr, nicht weit entfernt, war ein Dach mit Holzbalken. Sie lag in einem Schlafsack. Neben ihr war ein zweiter Schlafsack, allerdings leer.
Doch er besaß den vertrauten Geruch von Björn: nach Männerschweiß und ein bisschen nach Fisch.
Harpa stützte sich auf den Ellbogen. Der Kaffee roch gut.
Sie war in einer Hütte. Graues Morgenlicht sickerte durch ein Fenster. Sie hörte jemanden herumlaufen.
»Björn?«
»Guten Morgen!«
Sie schob sich zum Leiterende. Offenbar befand sie sich auf einem erhöhten Schlafboden in einer Hütte. Panik ergriff sie, verschwand aber wieder, als sie Björns aufmunterndes Lächeln sah. »Hallo, komm runter und trink einen Kaffee. Möchtest du was essen?«
Vorsichtig kletterte Harpa die Leiter herunter. Sie trug nur ein T-Shirt und einen Slip, aber es war warm in der Hütte. Im Ofen brannte Holz.
Ihr Kopf fühlte sich immer noch betäubt an. Als sei sie gerade aus einem Traum erwacht, nur dass sie sich immer noch mitten im Traum befand.
»Björn, wo sind wir hier?«, fragte sie.
Er küsste sie rasch auf die Lippen. »In einer Berghütte. Ich dachte, wir klinken uns mal ein paar Tage aus.«
Harpa blinzelte. »Ich kann mich überhaupt nicht daran erinnern, dass wir hergefahren sind.«
»Du warst sehr müde. Hast im Wagen geschlafen.«
»Ja?« Harpa versuchte, das alles zu verstehen. Sie wusste nur noch, dass Björn sie in der Bäckerei abgeholt hatte, danach nichts mehr. Sehr sonderbar.
»Wo ist Markús?«
»Bei deinen Eltern. Wir haben ihnen einen Zettel hinterlassen.«
»Das weiß ich gar nicht mehr.«
»Na ja, ich habe ihnen einen Zettel hinterlassen.«
Harpa setzte sich auf einen Stuhl am Tisch und trank einen Schluck Kaffee. So langsam wurden ihre Gedanken klarer. »Wo steht diese Hütte, Björn?«
»In der Nähe von Grundarfjörður. An der alten Straßen von Stykkishólmur nach Borgarnes. Aber hier kommt keiner mehr vorbei. Es ist sehr friedlich.«
»Ich verstehe das nicht«, sagte Harpa.
Björn griff über den Tisch nach ihrer Hand. »Du hast in letzter Zeit viel Stress
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