Magnus Jonson 02 - Wut
balancierte von einem Stein zum anderen durch den Fluss und hatte schnell die andere Seite erreicht. Harpa war nicht mehr zu sehen. Die Wolken sanken immer tiefer. Im nächsten Moment würden sie auch Ísak verschlucken.
Björn hielt den Blick auf die Stelle gerichtet, wo er Ísak zuletzt gesehen hatte, und arbeitete sich so schnell es ging aufwärts. Er war gut in Form, besser als Ísak, nahm er an.
Er kletterte an einem Felsblock vorbei. Rechts von ihm stieg mit sirrenden Flügeln eine Schnepfe auf. Björn sah Stahl blitzen, wirbelte herum und hob den Arm, um den Angriff abzuwehren. Mit einem reißenden Geräusch fuhr ein Messer in den oberen Ärmel
seiner Jacke. Björn trat zurück, wollte sich dem Angreifer stellen, rutschte aber mit einem Fuß aus.
Ísak war schnell und überraschend kräftig. Björn fiel auf den Rücken, und die Klinge des Messers durchbohrte seine Jacke, sein Fleece, sein T-Shirt, seine Haut und blieb zwischen seinen Rippen stecken.
Björn spürte die Verletzung, aber keine Schmerzen. Er schlang die Finger um Ísaks Kehle. Vor Überraschung traten Ísaks Augen hervor. Er wollte sich Björn entwinden, doch der ließ nicht los. Die beiden Männer rollten den Hang hinunter, Björns Finger um den Hals des Studenten geklammert. Vor einem Felsblock blieben sie liegen, Björn oben.
Er drückte stärker zu. Ísak röchelte, schnappte nach Luft. Björn verlor langsam das Bewusstsein. Er wollte sich auf Ísak konzentrieren, seine Finger nur noch wenige Sekunden länger zusammenpressen. Doch er spürte, wie die Kraft seinen Körper, seine Arme verließ.
Auch Ísak spürte das. Er stemmte sich dagegen, und Björns Finger gaben nach; noch ein Versuch, und Björn kippte zur Seite. Hechelnd lag er rücklings im Moos. Neben ihm sog Ísak in langen Zügen frische Luft ein. Mit jeder verstreichenden Sekunde wurde Ísak kräftiger und Björn schwächer.
Björn schielte nach unten auf den Griff des Messers, der aus seiner Brust ragte. Sonderbarerweise tat es immer noch nicht weh.
Ísak beugte sich über ihn und riss das Messer heraus.
Björn schrie auf. Jetzt tat es weh. Höllisch. Doch sein Schrei war nicht viel mehr als ein Krächzen.
Er versuchte, auf die Beine zu kommen. Es gelang ihm nicht.
Er bewegte die Lippen, wollte Luft durch seine Stimmbänder pressen. »Komm her, du Schwein!« Aber er brachte nur noch ein Stöhnen hervor.
Sindri wünschte sich, man würde ihm eine Zigarette anbieten. Es wäre für ihn einfacher abzuschalten, wenn er rauchte. An der
Wand des Vernehmungszimmers hing ein rotes Rauchverbotsschild, doch in einem weißen Plastikbecher auf der Fensterbank lag ein Zigarettenstummel. Die Schweine konnten ihm problemlos eine anbieten, wenn sie wollten. Sindri würde jedoch nicht danach fragen.
Seit er hergebracht worden war, hatte er kein Wort gesagt. Hatte nicht nach einem Anwalt gefragt, denn er brauchte niemanden, der ihm sagte, er solle den Mund halten. Es dauerte jetzt ohnehin nicht mehr lange, nur noch wenige Stunden, dann konnte er reden. Sollte nicht zu schwer sein, bis dahin zu schweigen.
Im Moment sprach die Schwarze mit ihm. Der Kahlkopf starrte ihn nur an. Sindri versuchte zu ignorieren, was die dunkelhäutige Beamtin sagte, konnte jedoch nicht vermeiden, den Namen ›Ingólf Arnarson‹ aufzuschnappen. Wenn die Bullen schlau wären, hätten sie längst herausbekommen, um wen es sich dabei handelte. Wenn Sindri schlau gewesen wäre, hätte er einen nichtssagenderen Decknamen gewählt. Die anderen fanden die ganze Sache mit den Decknamen albern, aber sie hatte sich als gute Idee entpuppt. Sindri fragte sich, wie die Polizei an diesen Namen gekommen war. Hatte ihn vielleicht einer irgendwo notiert? Oder wurden sie abgehört?
Sindri wusste, dass er ins Gefängnis kommen würde. Doch je länger er darüber nachdachte, desto besser gefiel ihm die Vorstellung. Litla Hraun konnte kaum schlimmer sein als seine Wohnung. Er hätte Gesellschaft, wahrscheinlich würde man ihm gestatten zu schreiben, er würde berühmt werden. Endlich würde man ihm Beachtung schenken.
Am Morgen hatte er trotz seines dicken Kopfs ein Manifest in seinem Blog gepostet. Es war überraschend gut gelungen, einerseits ein Waffenruf, andererseits eine Zusammenfassung seiner Ideen der letzten zehn Jahre. Wenn er erst mal vor Gericht stände, würde sein Manifest auf der ganzen Welt gelesen werden.
Von der Icesave-Kundgebung am Vortag war er bitter enttäuscht. Das war der Grund gewesen, warum er sich
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