Magnus Jonson 02 - Wut
Hafen sind, erzählt er ihm alle möglichen Geschichten aus seiner Zeit als Fischer. Markús findet das herrlich, auch wenn ich denke, dass er nicht alles versteht, was mein Vater sagt. Er hört einfach gern seine tiefe Stimme.«
Magnus und Árni nahmen am Küchentisch Platz, Harpa schenkte ihnen Kaffee ein und setzte sich ihnen gegenüber.
»Hast du gehört, dass Óskar in London erschossen wurde?«, fragte Árni.
»Ja«, sagte Harpa und erstarrte wieder. »Ja, das habe ich im Radio gehört. War ein ziemlicher Schock.«
»Kanntest du ihn?«
»Ja. Er war mein Chef, genauer gesagt, der Chef meines Chefs. Na ja, ich kannte ihn nicht besonders gut. Aber im Laufe der Jahre hatte ich so einige Besprechungen mit ihm.«
»Kanntest du ihn auch privat?«
»Nein«, sagte Harpa schnell. Zu schnell, fand Magnus. »Überhaupt nicht.«
Sein Interesse war geweckt. Er spürte jetzt schon, dass irgendwas mit Harpa nicht stimmte. »Du warst also nie zu einer seiner Partys eingeladen?«
»Ähm, doch. Ja, klar«, sagte Harpa. »Ich habe ihn privat bei innerbetrieblichen Feiern gesehen. Er kam gut mit seinen Angestellten aus. Aber ich würde ihn nicht als Freund von mir bezeichnen. Und außerhalb der Arbeit haben wir nie etwas miteinander zu tun gehabt.«
»Wann hast du ihn zum letzten Mal gesehen?«
Harpa stieß Luft aus. »Ich glaube, das war bei seiner Abschiedsrede, die er an dem Tag gehalten hat, als er ging.« Sie lächelte. »Guðmund Rasmussen, dieser Spinner, der geholt wurde, um die Bank nach der Verstaatlichung zu leiten, bestand darauf, dass Óskar durch die Hintertür verschwand. Aber Óskar ging gelassen durch das gesamte Gebäude bis zum Haupteingang. Er hatte das alles geplant, und viele von uns warteten im Atrium auf ihn.« Sie lächelte. »Es war eine gute Rede.«
»Aber seitdem hast du ihn nicht mehr gesehen?«, hakte Magnus nach.
»Nein. So wie ich gelesen habe, ist er sofort nach London gegangen und dort fast die ganze Zeit geblieben. Ich glaube nicht, dass er noch mal nach Island zurückgekehrt ist.«
Magnus nickte. Jetzt klang Harpa überzeugender.
»Ich würde dich gern zum Tod von Gabríel Örn Bergsson befragen«, sagte Magnus.
Sofort war Harpa wieder angespannt. »Warum? Das war Selbstmord. Was soll das mit Óskar zu tun haben?«
»Das ist eine gute Frage«, sagte Magnus. »Wüsstest du eine Verbindung?«
Harpas Gesicht verriet eine Mischung aus Verwirrung und Angst. Sie senkte den Kopf, das lockige Haar fiel ihr in die Augen. Dann warf sie es genervt nach hinten. Sie spielte auf Zeit. »Nein, nein. Es kann keine geben. Sicher, beide arbeiteten für dieselbe Bank, aber der eine brachte sich um, der andere wurde ermordet.«
»Weißt du, warum Gabríel Örn sich umgebracht hat?«, wollte Magnus wissen.
»Keine Ahnung. Aber er war für sehr viele faule Kredite verantwortlich«, erwiderte Harpa. »Große Verluste für die Ódinsbanki.«
»Na ja, im letzten Jahr haben viele Banker Verluste gemacht. Die haben sich aber nicht umgebracht. Warum war Gabríel Örn so sensibel?«
»Keine Ahnung.«
»Du kanntest ihn auch privat. Warst du überrascht, als er starb?«
Harpa seufzte. »Ja, schon«, sagte sie leise. »Eigentlich war er ein sehr selbstbewusster Typ, stolz auf sein Können. Vielleicht ist ihm doch noch aufgegangen, was für ein Schwein er war. Vielleicht konnte er nicht mehr in den Spiegel sehen.«
»Hat er dich schlecht behandelt?«
»Das kann man wohl sagen. Wenn ich gute Arbeit leistete, heimste er das ganze Lob ein; er war derjenige, der die dicken Boni bekam, während ich mit Peanuts abgespeist wurde. An seinen faulen Deals gab er mir die Schuld. Das machte mich wütend. Ich habe gegen jedes der drei großen Geschäfte argumentiert, die schließlich schiefgingen, aber Gabríel überstimmte mich, er meinte, ich wäre nicht gewieft genug, um die Chance zu erkennen. Ich war nicht gewieft genug, um mir seinen Blödsinn nicht mehr länger anzuhören, das war das Problem.
Eines Tages sagte er mir, ich würde jetzt zum goldenen Zirkel der wenigen Angestellten gehören, die Aktien der Ódinsbanki zu Vorzugspreisen erwerben dürften. Es wäre eine besondere Anerkennung für meine Leistungen in der Bank. Die Bank würde mir das Geld zu einem geringen Zinssatz leihen. Ich wusste, dass er auf diese Weise in den vergangenen Jahren Millionen Kronen verdient hatte, und hielt es für meine große Chance, deshalb ließ ich mich darauf ein.«
Harpa schüttelte den Kopf. »Sechs Monate später
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