Magnus Jonson 02 - Wut
Halbinsel Snæfells an der Westküste Islands. Magnus hatte seine eigenen Gründe, diese Gegend, wenn irgend möglich, zu meiden.
»Später vielleicht«, sagte er.
Die Kría nahm Kurs auf ihren Heimathafen. Es war ein schlechter Tag gewesen, die Stimmung der Crew im Keller. Keiner war erpicht darauf, den mickrigen Fang abzuladen, den sie an diesem Tag gemacht hatten – zwei enttäuschende Netze mit kleinem Schellfisch.
In der Dunkelheit erhob sich rechts Kap Búlandshöfði als schwarze Masse vor dem helleren Himmel mit der aufgerissenen Wolkendecke. Vor ihnen befand sich der Leuchtturm Krossnes, das Licht blinkte im vertrauten Takt. Schweigend stand die Crew an Deck. Gústi, der Skipper, hatte es verbockt. Er hatte die Wirkung der Tide auf das Schleppnetz falsch berechnet, so dass es beim dritten Ausbringen auf ein bekanntes Wrack getrieben war und sich verfangen hatte. Als Björn gemerkt hatte, wo sie sich befanden, hatte er seine Bedenken mitgeteilt, sie seien zu nah am Wrack, doch Gústi hatte ihn ignoriert. Viele Stunden hatten sie dann damit verbracht, das Netz frei zu bekommen, nur um sich schließlich von der zweihunderttausend Kronen teuren Ausrüstung verabschieden zu müssen. Schließlich hatte Björn vorgeschlagen, damit aufzuhören, um wenigstens das zweite Netz einsetzen zu können und den Tag noch ein bisschen zu retten.
Es war schwierig, Skipper eines Fischerboots zu sein. Man musste den Fisch finden. Unablässig musste man die Risiken unterschiedlicher Vorgehensweisen gegeneinander abwägen. Björn lag
das. Gústi nicht. Und fast hatte es den Anschein, als würde Gústi auf gar keinen Fall Björns Rat annehmen.
Björn war für Gústi ebenso sehr eine Bedrohung wie eine Hilfe. Seit Björn sein eigenes Boot verloren hatte, fuhr er mit jedem Skipper raus, der ihn mitnahm, entweder von Grundarfjörður aus oder von einem der kleinen Häfen entlang der Nordküste der Halbinsel Snæfells: Rif, Ólafsvík, Stykkishólmur. Die Kría gehörte nicht Gústi, sondern einer Fischereigesellschaft, und obwohl Björn zehn Jahre jünger als der Skipper war, wusste jeder in Grundarfjörður, was für ein guter Fischer er war. Gústi hatte Angst um seinen Job. Björn musste vorsichtig sein, sonst konnte es gut passieren, dass Gústi ihn nicht mehr mit an Bord nahm.
Immerhin bedeutete der kleine Fang, dass das Löschen und Saubermachen nicht lange dauern würden. Er wäre schnell auf der Straße nach Reykjavík, um bei Harpa zu sein.
Sie ging ihm so nahe wie noch keine Frau vor ihr. Eigentlich war sie überhaupt nicht Björns Typ, und ihm wurde langsam klar, dass sie gerade aus diesem Grund eine solche Wirkung auf ihn ausübte. Er mochte selbstbewusste Frauen; Frauen, die wussten, was sie wollten – nämlich Sex mit ihm. Damit kannte er sich aus, und wenn es ein bisschen kompliziert wurde, ein bisschen schwierig und emotional – was unweigerlich geschah –, dann zog er weiter. Manche litten darunter, aber die meisten wussten von Anfang an, worauf sie sich einließen. Einmal hatte er zwei Jahre mit einer Frau zusammengelebt, Katla, aber das hatte nur funktioniert, weil es ihnen gelungen war, das Bett zu teilen und gleichzeitig emotionalen Abstand zueinander zu wahren. Sobald aus der Beziehung mehr zu werden drohte, war es vorbei.
Aber Harpa war anders. Sie war klug – es machte ihm richtig Spaß, mit ihr zu reden. Sie war von der kreppa betroffen, so wie er, wenn auch auf völlig andere Art und Weise. Sie war verletzlich, und irgendwas an der Verletzlichkeit einer so fähigen Frau wie Harpa fand Björn anziehend. Sie brauchte ihn wie noch keine vor ihr, doch anstatt das Weite zu suchen, ging er darauf ein.
Niemand zwang ihn, knapp zweihundert Kilometer zu fahren, um sie am Abend zu sehen, doch er tat es gern. Für Harpa war ihm kein Weg zu weit.
Sie war es wert.
9
Magnus war guter Laune, als er den Game-Over auf der Njálsgata gegenüber seinem Haus parkte, genauer gesagt: gegenüber von Katríns Haus. »Game-Over« war die neue isländische Bezeichnung für einen Range Rover. Magnus hatte seinen zu einem unschlagbar günstigen Preis von einem bankrotten Anwalt bekommen, der zwei besaß, sich aber nicht mal mehr einen leisten konnte. Der Wagen war eine Benzinschleuder, doch außerhalb von Reykjavík war ein Vierradantrieb unverzichtbar.
Die zwei schnellen Biere, die Magnus sich im Grand Rokk gegönnt hatte, waren mitverantwortlich für seine gehobene Stimmung. Das Grand Rokk war eine Kneipe auf der
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