Magnus Jonson 02 - Wut
Alarm schlug, und eine an seine Exfreundin Harpa Einarsdóttir,
die nicht reagierte beziehungsweise sich erst am nächsten Morgen bei uns meldete.
Ich habe mit Harpa gesprochen. Sie behauptete, sie hätte sich mit ihm in einer Kneipe treffen wollen, aber er sei nicht gekommen.«
»Aber das hast du ihr nicht geglaubt?«
»Sie hatte ein Alibi. Zeugen sahen sie in der Kneipe warten. Sie hat sogar mit irgendwem Streit bekommen. Aber trotzdem kam es mir irgendwie nicht richtig vor.«
»Warum nicht?«
Árni verzog das Gesicht, legte angestrengt die Stirn in Falten. »Ich weiß nicht. Kann ich nicht richtig belegen. Deshalb habe ich ja gesagt, es wäre unwichtig.«
»War man sicher, dass es sich um Selbstmord handelte?«
»Der Rechtsmediziner hatte leichte Zweifel, glaube ich. Baldur auch. Aber die wurden von oben so gut wie ausgeräumt.«
»Warum?«
»Draußen war eine Revolution im Gange«, mischte sich Vigdís ein. »Und bis dahin war sie friedlich verlaufen. Wenn Gabríel Örn abends nach der Demo ermordet worden wäre, hätte die gesamte Lage außer Kontrolle geraten können. Den Politikern, dem Polizeichef, allen ging der Arsch auf Grundeis, dass es zu Gewalttätigkeiten kommen würde. Uns allen.«
»Árni, eines noch«, meinte Magnus. »Wenn dir dein Gefühl etwas sagt, dann hör darauf. Es kann sich als falsch erweisen, oft sogar, aber hin und wieder wird es der beste Anhaltspunkt sein, den du hast.«
Árni seufzte. »Okay.«
»Wo wohnt diese Harpa?«
»In Seltjarnarnes. Soll ich sie anrufen und schauen, ob sie da ist?«
»Nein, Árni. Wir werden sie überraschen.«
8
Harpa wohnte in einem von mehreren gleich aussehenden weißen Häusern, die auf die Bucht hinausschauten. Klein, aber bestimmt sehr teuer zu Boomzeiten, dachte Magnus. Jetzt allerdings nicht mehr.
Als Harpa an die Tür kam, hatte Magnus sofort den Eindruck, dass sie mit der Polizei gerechnet hatte. Kurz trat Panik in ihr Gesicht, dann tat sie überrascht, allerdings nicht sehr überzeugend.
Harpa war Ende dreißig, hatte blasse Haut, blassblaue Augen und dunkle Locken, die ihr bis auf die Schultern reichten. Sie war früher hübsch gewesen und wäre es zweifellos noch immer, doch im Moment wirkte sie angespannt und erschöpft. Zwei tiefe Falten zogen sich links und rechts neben ihrem Mund nach unten, und zwei kleinere Kerben trennten ihre Augenbrauen wie tiefe Schnitte. Zuerst glaubte Magnus, sie sei geschminkt, dann erkannte er, dass sie vor Müdigkeit dunkle Augenringe hatte.
Árni stellte sich und Magnus vor. Sie zogen die Schuhe aus und gingen in die Küche.
Ein grauhaariger Mann kniete bei einem kleinen Jungen mit blonden Locken auf dem Boden. Sie spielten mit kleinen Autos und einem hässlichen mehrstöckigen Parkhaus aus Plastik.
Der Mann richtete sich schwerfällig auf, wobei er leicht zuckte. Er war klein und hatte ein breites, hartes Gesicht, das von Falten durchzogen war. Er schien ungefähr Ende sechzig zu sein. »Um was geht’s?«, fragte er unwirsch und stellte sich mit durchgedrückten Schultern vor die Beamten.
»Wir ermitteln im Todesfall Óskar Gunnarsson«, erklärte Árni.
»Ach ja?«
»Das ist mein Vater Einar«, sagte Harpa.
Magnus wandte sich an den Mann: »Wir würden gern mit deiner Tochter sprechen, Einar. Und zwar am liebsten allein.«
»Ich bleibe«, sagte der Alte.
»Sie ist längst volljährig«, sagte Magnus. »Es muss kein Elternteil mehr anwesend sein.«
Er spürte, dass Harpa neben ihm erstarrte.
»Sie war ziemlich durcheinander, als sie das letzte Mal von euch befragt wurde«, sagte Einar. »Ich will nicht, dass das wieder so ist.«
»Keine Sorge, Papa«, sagte Harpa. »Diesmal halte ich mich besser. Warum gehst du nicht mit Markús runter zum Hafen?«
Ein Strahlen legte sich auf das Gesicht des kleinen Jungen, er hüpfte auf und ab. »Hafen! Hafen!«
Ohne es zu wollen, wurde Einars Blick weich. Er musste ein Schmunzeln unterdrücken.
»Ist das wirklich in Ordnung, mein Schatz?«
»Ja, Papa, ich schaff das schon.«
»Gut, dann komm mit, Markús!«
Der alte Mann streckte seine große fleischige Hand aus und schloss sie um die kleine Faust des Jungen. Magnus, Árni und Harpa warteten betreten, bis sie ihre Schuhe und Jacken angezogen hatten und nach draußen gegangen waren.
»Das tut mir leid«, sagte Harpa. »Mein Vater ist ein bisschen übereifrig.«
»Netter Junge«, sagte Magnus.
»Ja. Und sein Großvater ist ganz vernarrt in ihn, wie ihr sehen konntet. Wenn sie unten im
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