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Magnus Jonson 02 - Wut

Magnus Jonson 02 - Wut

Titel: Magnus Jonson 02 - Wut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ridpath
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Fall ist erledigt, habe ich gesagt.«
    Magnus betrachtete Baldur genau. Seine Augen funkelten zornig. Trotz ihrer Meinungsverschiedenheiten war Baldur nicht zu unterschätzen. Er war klug genug, um zu wissen, dass die Selbstmordtheorie nicht schlüssig war. Warum also wollte er den Fall unbedingt zu den Akten legen? Das musste Magnus herausfinden.
    »Meiner Meinung nach sollten wir ihn neu aufrollen«, schlug er vor. »Die Sache stinkt. Harpa Einarsdóttir, die Exfreundin von Gabríel Örn, die ihn an dem Wochenende treffen wollte, lügt nämlich.«
    »Kannst du das beweisen?«, fragte Baldur.
    »Noch nicht.«
    »Oder hast du eine handfeste Verbindung zu Óskar, abgesehen von dem Arbeitsplatz bei derselben Bank?«
    »Nein.«
    »Dann lass es sein.«
    »Warum?«, fragte Magnus.
    »Weil ich es dir sage!« Baldur starrte ihn an. Vigdís und Árni saßen reglos da.
    »Ich brauche einen besseren Grund, wenn ich einen Fall liegen lassen soll, der danach schreit, neu aufgerollt zu werden«, sagte Magnus vorsichtig. »Besonders, wenn es um Mord geht.«

    »Willst du damit irgendwas andeuten?« Baldurs Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.
    Magnus verschränkte die Arme vor der Brust. »Denke schon. Für mich sieht das nach Vertuschung aus. In Amerika kam so was von Zeit zu Zeit vor, aber ich habe nicht damit gerechnet, das auch in Island zu erleben.«
    »Du hast nicht die geringste Ahnung von diesem Land, oder?«, sagte Baldur, und seine Stimme triefte vor Verachtung.
    »Ich denke schon«, gab Magnus zurück, doch konnte er seine Unsicherheit nicht verbergen.
    »Hast du irgendeine Vorstellung davon, wie es hier letzten Januar aussah?«
    »Ich nehme an, es war ziemlich unangenehm.«
    »Ziemlich unangenehm?« Baldur schrie beinahe. »Du hast ja keine Ahnung!« Er schüttelte den Kopf, setzte sich Magnus gegenüber und beugte sich vor. Die Muskeln seines langen Gesichts waren angespannt, Zorn strömte aus jeder einzelnen Pore. »Na, dann erkläre ich es mal.«
    »Gut«, sagte Magnus, überrascht von der Emotion in Baldurs normalerweise trockenen Stimme. Er versuchte, sich nichts anmerken zu lassen.
    »Im Januar stand die Hauptstadtpolizei vor der größten Herausforderung ihrer Geschichte. Aller Zeiten. Wir alle fuhren Doppelschichten, jeder Mann und jede Frau, die verfügbar war, trug Kampfausrüstung, wir verteidigten unser Parlament, unsere Demokratie.
    Dabei waren wir selbst sauer.« Baldur warf Vigdís einen Seitenblick zu. »Wir sind Bürger und zahlen unsere Steuern. Wir verdienen nicht gerade viel, und in den Boomjahren haben wir uns nicht sanieren können. Einige haben zu viel ausgegeben, zu viele Schulden gemacht. Viele von uns hatten Verständnis für die Demonstranten. Aber wir hatten unsere Aufgabe zu erledigen, und das taten wir, so gut wir konnten.«
    Magnus hörte zu.

    »Wir gingen so unaufgeregt wie möglich vor. Niemand wurde geschlagen. Niemand wurde eingekesselt oder geprügelt, wie es die britische Polizei einige Monate später bei der antikapitalistischen Demonstration in London tat. Niemand kam ums Leben. Doch eines Tages sah es plötzlich danach aus, als würde es schiefgehen: Die Anarchisten bekamen die Oberhand und griffen uns an. Sie bedrohten uns und unsere Familien. Und weißt du, was dann geschah?«
    Magnus schüttelte den Kopf.
    »Die Menschen bildeten eine Kette. Sie stellten sich vor uns auf, um die Polizei vor den Anarchisten zu schützen. So was geht in keinem anderen Land der Welt. Wenige Tage später trat die Regierung zurück. Alles ging ohne Gewalt vonstatten.
    Das alles ist auf unsere Deeskalationstaktik bei den Demos zurückzuführen. Darauf bin ich stolz. Der Premier schrieb jedem Polizeibeamten, der daran beteiligt war, einen persönlichen Dankesbrief.«
    Magnus war beeindruckt. Der kontrollierte Umgang mit Aufständischen war bekannterweise schwierig. Es konnte so schnell passieren, dass ein Kollege überreagierte, in der Hitze des Augenblicks eine falsche Entscheidung traf, in Panik geriet. Magnus hatte noch nie mit derartigen Tumulten zu tun gehabt; er wusste nicht, wie er mit wütenden Demonstranten umgehen würde, die Gegenstände auf ihn warfen. Wahrscheinlich würde er zum Angriff übergehen.
    »Wenn da mittendrin ein junger Banker ermordet worden wäre, hätte das der Funken sein können, der das ganze Land in Brand gesetzt hätte.«
    Magnus überlegte. Er verstand Baldurs Sichtweise. Aber andererseits … »Wir wissen noch nicht, ob Gabríel Örn ermordet wurde«, sagte er.

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