Magyria 01 - Das Herz des Schattens
doch sicher einen Schlüssel? Um die Metalltür zu öffnen, wenn irgendetwas nicht stimmt?«
»Du schlägst vor, dass wir Kununs Sachen durchsuchen?«, fragte Mattim und klang ehrlich erstaunt.
»Es muss doch eine Möglichkeit geben, an den Fahrstuhl heranzukommen, wenn er kaputt oder stecken geblieben ist! Irgendwie müssten wir diese untere Fahrstuhltür öffnen und mit einer Leiter in den Keller steigen können!«
Die Idee gefiel ihr, Mattim dagegen schüttelte den Kopf. »Was, wenn jemand die Leiter sieht? Wir sind nicht allein in diesem Haus. Es geht nicht, wir müssen …«
»… ihn dazu bringen, uns den Code zu verraten!«
Hanna fühlte, wie die Begeisterung sie in Schüben durchströmte. »Irgendwie müssen wir ihn hereinlegen!«
»Das ist kein Spiel«, sagte Mattim leise. »Kunun ist gefährlich. Glaubst du, er lässt sich einfach so hereinlegen?«
»Er muss doch irgendeine Schwachstelle haben!«
»Kunun hat keine Schwachstelle«, widersprach Mattim, als wäre der bloße Gedanke daran Blasphemie. »Sobald er merkt, worauf wir aus sind, ist er noch zu ganz anderen Dingen fähig. Wenn er wüsste, dass ich hinter dieser Pforte her bin … wenn er so etwas auch nur ahnte …«
»Er hat keine Lieblingszahl, die er als Code gebrauchen könnte, oder? Ein spezielles Datum oder was weiß ich? Lass uns seinen Geburtstag ausprobieren oder … Okay, vergiss es. Dann fällt mir noch ein, wir könnten vielleicht eine Kamera im Aufzug installieren. Wie wäre das?« Die Ideen sprudelten nur so aus ihr heraus. »Genau, eine Kamera, die ihn dabei aufnimmt, wie er den Code eingibt!«
Sie merkte, dass Mattim nicht ganz verstand, was sie meinte, und versuchte es ihm zu erklären. »Sie müsste natürlich so klein sein, dass er sie nicht bemerkt. Und dann …«
»Er wird es merken«, sagte Mattim leise. »Wenn wir ihm wenigstens einen Schlüssel stehlen könnten! Aber er wird uns nicht in seinen Kopf hineinsehen lassen. Wenn er dieses Ding bemerkt, dann ist es aus.«
Ihre Gedanken arbeiteten fieberhaft. »Oder … Mattim, ich hab’s! Das ist immerhin ein gläserner Fahrstuhl, warum sollten wir das nicht ausnutzen? Schließlich wohnst du hier. Du könntest dich da hinten am Geländer herumtreiben, so oft, dass es für alle hier normal ist. Nimm dir ein Buch und setz dich draußen hin oder mach dort deine Aufgaben oder was auch immer. Du brauchst eine Stelle, von der aus du optimal in den Fahrstuhl hineinsehen kannst, von wo du den besten Blick auf die Knöpfe hast. Irgendwann wird Kunun den Fahrstuhl betreten und den Code eingeben, und …«
»Ich soll das von da hinten erkennen?«, fragte Mattim zweifelnd. »Ich habe durch die Verwandlung keine Adleraugen bekommen! Außerdem stand ich schon einmal mit meinem Bruder im Fahrstuhl, und er hat mir einfach den Blick verstellt.«
Hanna überlegte. »Das wird er nicht tun, wenn er nicht weiß, dass er beobachtet wird. Ein Fernglas, ein Teleskop-Fernrohr … Oder eine kleine Kamera, mit der du die Szene aufzeichnen kannst, damit wir sie uns mehrere Male anschauen könnten, bis wir alles haben. Du könntest die Fahrstuhlwand
näher heranzoomen. Das müsste eigentlich klappen. Warte, wir machen es so: Du gehst nach draußen und suchst den besten Platz, wo man es gut sieht. Ich fahre mit dem Fahrstuhl hoch und runter, und du probierst aus, in welchem Stockwerk der Winkel am besten passt. Oder wo wird Kunun sein, wenn er den Code eingibt? Im Erdgeschoss?«
»Wahrscheinlich«, gab Mattim zögernd zu.
»Dann müsstest du deinen Beobachtungsplatz im Hof einnehmen. Das wäre vielleicht sogar noch besser! Wenn du dir dort einen gemütlichen Platz einrichtest und den anderen sagst, du lernst gerne an der frischen Luft. Wollen wir?«
Mattim wirkte nicht ganz überzeugt, aber er nickte. »Fahr los«, sagte er, »ich nehme die Treppe.«
Ihr Körper wollte sich weigern, in diesen Fahrstuhl zu steigen. Sie ließ sich nichts anmerken und winkte Mattim zu, während sie mit einem flauen Gefühl im Magen ins Erdgeschoss fuhr. Es war, als wäre sie darauf geprägt, dass in diesem Fahrstuhl immer etwas Bedrohliches passierte. Ein Schauer lief ihr den Rücken hinunter, während der Lift nach unten schwebte.
»Es ist alles gut«, murmelte sie, »alles gut. Er wird nicht stecken bleiben, warum sollte er …«
Ohne zu stocken glitt der Fahrstuhl hinunter. Sie sah die dunkelblauen Gitter an sich vorüberziehen, sah den Hof mit dem Brunnenbecken und den steinernen Löwen. Mattim war noch
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