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Magyria 01 - Das Herz des Schattens

Titel: Magyria 01 - Das Herz des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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die geschlossene Tür hindurchging, wo er in der Eingangshalle gleich als Erstes auf Kunun traf.
    »Ich habe auf dich gewartet«, fuhr ihn sein Bruder an. »Wo treibst du dich herum?«
    »Müssen kleine Schatten etwa schon um acht im Bett sein?«, konterte Mattim ein wenig zu gut gelaunt.
    Kunun hob die Hand. Mattim duckte sich unwillkürlich, doch der Ältere schlug nicht zu. Er musterte sein Gegenüber mit seinen schwarzen Augen, mit denen er jeden in die Knie zwang. Mattim musste schlucken.
    »Du bist eben durch die Tür gegangen? Wer hat dir das beigebracht?«
    »Niemand, ich habe es einfach ausprobiert.«
    War das die falsche Antwort? Kunun runzelte die Stirn. »Es ist ganz leicht«, sagte Mattim schnell. »Das ist es doch, was wir Schatten tun.«
    »Leicht?«, fragte Kunun. »Mattim, es ist alles andere als leicht. Die meisten Schatten müssen monatelang üben. Andere kriegen es nie hin. Sie sind noch viel zu sehr ihrem alten Leben verhaftet, als dass sie so vollständig und mühelos mit der Dunkelheit verschmelzen könnten. Wie lange übst du das schon?«
    Drohend ragte Kunun vor ihm auf, streng wie ein Feldherr über einem Deserteur. Mattim lief ein Schauder über den Rücken, nicht, weil er sich vor seinem Bruder fürchtete,
sondern weil ihn dessen Worte mehr trafen, als es ein Schlag hätte tun können.
    »Mit der Dunkelheit verschmelzen? Ich hab doch nur … Es ist wirklich ganz leicht. Warum sollte es schwer sein? Was heißt das?« Es konnte unmöglich bedeuten, dass er dunkler war als die anderen Schatten, so finster und lichtlos wie Kunun. Hanna hatte versprochen, das nicht zuzulassen, ihn davor zu bewahren. An sie hatte er gedacht, als er das Tor und die Wand durchschritten hatte, nur an sie!
    »Wenn es so leicht wäre«, meinte Kunun, »dann wäre es für unsereins unmöglich, geradeaus über eine Straße zu gehen, ohne ständig im Asphalt oder in einer Hauswand zu versinken und zu verschwinden. Stell dir das mal vor!« Er lächelte, was selten vorkam, zumal ohne den Versuch, jemanden damit zu beeindrucken. Ein fröhliches Grinsen, das ihn heiter und jung aussehen ließ. »Du würdest durch kein Zimmer mehr kommen. Sobald jemand hinter dir eine Lampe anknipst, fällst du in deinen eigenen Schatten und bist weg!«
    Mattim musste lachen.
    »Wenn es dunkel ist, wäre man sowieso weg.«
    »Ganz recht«, sagte Kunun, nun wieder ernst. »Wie ein Schatten, geworfen vom Licht, Spielball jeder Bewegung des Lichts. Vom Licht beherrscht und von der Dunkelheit eingenommen … Es bedarf extrem großer Konzentration und Willenskraft, um ins Dunkel abzutauchen, ohne sich darin zu verlieren. Um ein wahrer Schatten zu sein, mächtiger als das Licht. Das ist sehr gefährlich, wenn man es nicht vollkommen beherrscht. Es ist nichts, womit man spielen darf. Es ist nichts, was du hier in Budapest tun solltest.«
    »Aber …«
    »Was, wenn dich jemand gesehen hätte? Wenn jemand beobachtet hätte, wie du in dieses Haus verschwunden bist? Willst du, dass sie mit dem Finger auf diese Tür zeigen?
Willst du, dass irgendeiner von den dummen Tölpeln da draußen mitbekommt, wer wir sind und was wir vermögen? Willst du, dass sie uns jagen, so, wie sie alles jagen, was sie nicht verstehen? Ich bin der Jäger, und ich habe nicht vor, zum Gejagten zu werden. Ah, ich sehe das Aber auf deinen Lippen, immer noch, ein großes, verräterisches Aber. Wenn niemand dich sieht? Wenn du dir sicher bist, dass es keiner merkt? Du hast keine Ahnung, wie viele Kameras es in dieser Stadt gibt. Die Dinger hängen überall. Selbst wenn keine da sind, solltest du nicht auf eigene Faust etwas derart Gefährliches tun. Du weißt nie, was auf der anderen Seite lauert, wenn du durch eine Wand gehst. Also halte dich daran. Verdammt, tu einfach das, was ich dir sage!«
    »Du sagst mir viel zu wenig!«, protestierte Mattim. »Ich hatte ja keine Ahnung … Nie erklärst du mir irgendetwas, was mir hilft, mich als Schatten zurechtzufinden und keine Fehler zu machen.« Ihm wurde heiß und kalt bei dem Gedanken an die Kamera, die bei den Szigethys in der Einfahrt angebracht war. Wie dumm er gewesen war!
    »Ich glaube, es reicht, was ich dir sage. Wenn du nur endlich einmal damit anfangen könntest, mir zu gehorchen!«
    »Tu ich doch«, knurrte Mattim und zwang sich, bei diesen Worten möglichst ergeben dreinzuschauen.
    »Dabei ist eine solche Wut in dir, dass du mich am liebsten anfallen würdest«, sagte Kunun und lachte ihn leise aus. »Mattim, das hier ist

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