Magyria 01 - Das Herz des Schattens
Genugtuung, dass sein Tod sie ärgern würde. Und dass seine Gnade ihn als einen von der anderen Seite auswies. Bis zum Schluss, bis zum bitteren Ende …
Kunun bot ihm einen Platz an seiner Seite an. Als hätte Mattim nicht gewusst, worauf das hier hinauslaufen sollte. Aber es gab keine Entscheidung zu treffen. Er war aufgebrochen zu den Schatten, um Akink zu retten. Er hatte versagt. Doch wenn er starb, dann aufrecht, immer noch er selbst. Tut mir leid, Hanna. Ich wollte dir nie Schmerzen bereiten. Trotzdem kann ich nicht bereuen, dass ich dir begegnet bin. Ich habe Akink dem Feind in die Hände gespielt, der Fluss wird zufrieren, und der Kampf wird verloren sein … und ich vermag nichts mehr daran zu ändern. Glaubte Kunun wirklich, er könnte ihn in Versuchung führen? Ihn mit dem Versprechen auf Heilung verlocken? Schon einmal hatte der Schattenprinz behauptet, dass in Akink die unheilbaren Wunden der Schatten heilten. Um die paar Schrammen an seinen Armen zu tilgen, sollte er die Stadt des Lichts fallen sehen?
»Dunkelheit zerreißt, Licht schließt die Wunden. Allein
das Licht kann die Verletzungen heilen, welche die Finsternis geschlagen hat.«
Er wollte Kunun seine Verachtung entgegenschleudern, seinen unbeugsamen Willen … und in diesem Moment begriff er. In diesem Augenblick, der alles verwandelte, hielt er den Schlüssel in der Hand. Er hätte lachen mögen. Kunun servierte ihm die Lösung des Rätsels auf einem silbernen Tablett.
Dunkelheit zerreißt, Licht schließt die Wunden.
Er, Mattim, konnte Akink retten. Immer noch. Was zählte es, wenn er dabei seinen Stolz opferte? Wenn er seine Ehre hingab auf dem Schlachtfeld der Nacht?
Die Knie zu beugen. Die Geste fiel ihm nicht so schwer wie gedacht. Zu groß war die Freude, um irgendetwas anderes zu fühlen. Das Schwert von sich zu werfen.
Er will dein König sein, dabei ist er dein Bruder. Sieh ihn an, furchtlos. Verbirg nichts. Zeig ihm deine Freude. Soll er sie ruhig bemerken, soll er glauben, er hätte dich gewonnen. Sollen sie dich alle für einen Verräter halten. Egal. Es gibt nichts in dir, was wichtiger ist als Akink.
Trotzdem war es schwer. Trotzdem brauchte es einen Akt fast übermenschlicher Anstrengung, nicht zu Hanna zu laufen, sie an sich zu reißen und aus dem Gefahrenbereich zu ziehen. Ihr Schicksal in Kununs Hände zu legen. Das war es, was der Schattenprinz von ihm verlangte: Vertrau mir. Als deinem König, als deinem Bruder.
Er musste an seinen Bruder glauben. Nicht an den Feind. Du musst an ihn glauben, als würdest du auf seiner Seite stehen. Als gehörtet ihr von nun an zusammen. Verbündete. Brüder. Er wird Hanna nichts tun. Du musst nur daran glauben.
Vertrauen. Vertrauen in Kunun?
Es war schwer. So unglaublich schwer, dass seine Hand zu seinem Schwert zucken wollte, dass alle seine Muskeln sich spannten, bereit zum Sprung. Bereit, Atschorek anzufallen
und zu zerreißen. Sobald er nur ein einziges Tröpfchen Blut an Hannas Hals sehen würde, musste er losspringen. Wenn sie sich bloß nicht bewegte. Wenn sie nur nicht schrie oder in Ohnmacht fiel …
In diesem Moment hasste er sich selbst. Und er war nahe daran, seinen Hass hinauszuschreien. Bist du wahnsinnig, Kunun? Du Ungeheuer, Atschorek, Ausgeburt der Finsternis!
Aber er hielt stand. Noch einen Augenblick länger - vielleicht hätte er es nicht geschafft. Seine Schwester dürstete nach Blut. Es zu vergießen, nicht, es zu trinken. Wenn sie es gewagt hätte, Kunun zu trotzen? Wie lange er wartete, wie lange er Mattims Gehorsam prüfte! Stehen wir wirklich auf derselben Seite? Glaubst du das? Bruder. Glaubst du das?
Mattim bückte sich nicht nach seinem Schwert. Und Kunun gab sie frei. Mattim lächelte leichthin, als hätte er nie daran gezweifelt. Und da kam auch schon der Morgen hinter den Häusern emporgekrochen und streckte seine Fühler aus. Das Licht. Tödliches, gefährliches, immer noch über alles geliebtes Licht.
»Erklär es mir«, bat Hanna.
Mattim konnte es nicht. Er brachte es nicht über sich, den Mund zu öffnen und über seinen Tanz mit dem Tod zu sprechen. Stattdessen legte er den Arm um sie und presste sie an sich. Sanft lehnte er seine Stirn gegen ihre und atmete tief ein. Hatte er nicht die ganze Nacht über vergessen zu atmen? Ihr warmer Geruch. Ihr Herz schlug gegen seins. Nie wieder würde er so lange warten. Nie wieder würde er zulassen, dass sein Stolz sie beide derart in Gefahr brachte.
Ich liebe dich. Vertrau mir.
» Ich weiß,
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