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Magyria 01 - Das Herz des Schattens

Titel: Magyria 01 - Das Herz des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lena Klassen
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entführt worden war. Dass sie einfach keine Lust mehr hatte und längst zu Hause war. Dass sie weggelaufen war. Dass sie …
    »Da«, sagte Attila plötzlich. »Réka!«
    Seine Schwester lehnte an der bunten Fassade des Elefantenhauses. Sie schien die beiden nicht zu bemerken; auch als Attila auf sie zusprang und ihr den Rucksack vom Rücken zerrte, nahm sie kaum Notiz davon. Alle Vorwürfe erstarben Hanna auf der Zunge, als sie sah, wie blass das Mädchen war. Sie stand völlig neben sich.
    »Réka?«, fragte Hanna vorsichtig und berührte sie am Arm. »Geht es dir gut?«
    »Meine Kekse!«, rief Attila empört. Er wühlte im Rucksack herum und förderte zwei leere Schachteln ans Tageslicht. »Du hast mir nichts übrig gelassen!«

    »Du bekommst ein Eis«, versprach Hanna, nur damit er endlich still war. Sie musste unbedingt erfahren, was passiert war. Widerstandslos ließ Réka sich zum nächsten Verkaufsstand mitziehen. Hanna drückte Attila die Geldbörse in die Hand. »Such dir was aus. Und bring deiner Schwester was mit.«
    Sie selbst hatte keinen Hunger mehr. Was auch immer geschehen war, sie fühlte sich mitschuldig daran, weil sie es nicht bemerkt hatte. Himmel, wie sollte man auf ein Kind und einen Teenager aufpassen, die beide die ungute Angewohnheit hatten, ständig vom Erdboden verschluckt zu werden? Was in aller Welt hatte sie sich dabei gedacht, die Verantwortung für die beiden zu übernehmen? Es war lange her, dass sie sich selbst so jung und hilflos gefühlt hatte und sich nach der Gegenwart eines Erwachsenen sehnte. Eines richtigen Erwachsenen. Nach jemandem, der wusste, was zu tun war, und es auch tat.
    »Ich war nur auf dem Klo«, sagte Réka auf einmal.
    »Wirklich? So lange?«
    »Ich hab euch nicht mehr gefunden.«
    Etwas stimmte nicht damit, wie sie sprach. Die Worte kamen so langsam und gedehnt aus ihrem Mund, als müsste sie sich durch zähes Wasser kämpfen, das ihr Widerstand leistete.
    Hatte sie getrunken? Hanna schnupperte unauffällig, doch das schien es nicht zu sein. Drogen? Das Gespräch, das sie am Tigergehege geführt hatten, war ihr immer noch präsent. Aber konnte dasselbe hier geschehen sein? Hier, mitten im Zoo, wo sich Familien mit Kindern amüsierten, noch dazu am helllichten Tag? Es war das eine, einen zwielichtigen Typen in irgendeiner Disco zu treffen. Aber hier? Direkt vor ihrer Nase?
    Entweder hatte auch dieser Vorfall mit Rékas rätselhaftem Freund zu tun. Oder sie nahm tatsächlich Drogen. Oder sie war verrückt.

    »Hast du etwas eingenommen?«
    Réka schüttelte den Kopf. Sofort wurde ihr schwindlig, und sie stützte sich schwer gegen Hanna, die sie schnell zu einer Bank führte.
    »Mir ist schlecht.« Schwer atmend lehnte Réka sich gegen die Lehne. Sie war kalkweiß im Gesicht.
    Hanna fragte sich schon, wie sie das Mädchen nach Hause bekommen sollte, als Attila mit dem Eis und einer großen Tüte voller Süßigkeiten zurückkam. Er hatte fast das ganze Geld ausgegeben. Réka wurde wieder etwas munterer. Mit dem Magen hatte ihre Übelkeit anscheinend nichts zu tun, sonst hätte sie nicht solchen Appetit gehabt. Irgendwann hatte sie sich so weit erholt, dass sie den Heimweg antreten wollte. Just zu diesem Zeitpunkt wurde Attila das Opfer seines maßlosen Zuckerkonsums. Zum Glück turnte er gerade auf der Bank herum und hing halb über der Lehne, so dass sein Mageninhalt sich in die Büsche dahinter ergoss.
    Als sie schließlich den Zoo verließen, waren sie alle drei leicht grün um die Nasenspitze.

NEUN
    EIN DORF, MAGYRIA
    Sie horchten. Warteten und horchten. Mattim merkte, wie ihn die Blicke seiner Kameraden streiften, immer wieder. Plötzlich begriff er, dass sie auf ihn hofften. Kein Schatten konnte sich dem Licht nähern, kein Schatten konnte die Gegenwart eines Lichtprinzen ertragen. War es nicht so? Aber tief in ihm dröhnte die Verzweiflung wie eine Trommel, die den Takt seines Herzens schlug. Der Schatten war mir so nah … und auch das wissen wir jetzt. Dass ich sie nicht schützen kann, keinen von ihnen.
    Sie zuckten alle zusammen, als sie nebenan das Schlagen von Hufen gegen die Bretterwand hörten. Der Lärm ebbte nicht ab, ein Trommelwirbel der Angst, lauter als ihr Herzschlag. Die Akinker krallten ihre Hände um die Waffen und blickten flehentlich auf Morrit, doch der schüttelte den Kopf.
    »Aber …«, flüsterte einer, als Morrits dunkle Augen ihn zum Schweigen brachten.
    Stille kehrte ein. Sie warteten, horchten und spürten ihre schwitzenden,

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