Magyria 02 - Die Seele des Schattens
Geist wie unruhige Blitze.
Kurz darauf schlug er die Augen auf. Etwas stimmte nicht. Der König verhörte ihn. Wen? Die Wächter hatten nicht begriffen, von wem er gesprochen hatte. Vom König der Schatten.
Der Alte wälzte seine mageren Beine über die Bettkante und tastete sich erneut hinaus auf den Flur.
»Schon wieder?«, fragte der freundliche Wächter am oberen Treppenende. »Hast du keinen Nachttopf, Alterchen?«
»Es sind zwei«, sagte er. »Das wisst ihr doch?« Wie viel besser er sprechen konnte, wenn er nicht zuvor eine Treppe hochsteigen musste! Jetzt würde er herausfinden, ob sie Kunun schon gefangen hatten oder noch nicht. »Zwei Schatten. Der Prinz ist zurückgekommen, der dunkle Prinz.«
»Ja, das wissen wir«, meinte der Wächter gelassen. »Er sitzt unten im Verlies. Geh ruhig schlafen, Väterchen. Niemand kommt hier an uns vorbei.«
»Wie heißt der Prinz?«, fragte der Alte listig.
»Die Wände wollen seinen Namen nicht hören, aber es ist Mattim. Prinz Mattim. Tut uns leid, Großväterchen. Ich weiß, wie sehr du ihn mochtest.«
»Mattim?« Davon hatte er schon mal gehört, oder? Dass sie Prinz Mattim gefangen hatten? »Dann sind es zwei«, sagte er. »Zwei Schatten.«
»Er hat sie gebissen. Jetzt sind es zwei. Du hast ganz recht. Zwei Schatten. Morgen werden sie brennen. Wir streuen ihre Asche in den Fluss. Geh ins Bett, alter Mann.«
Zwei Schatten. Er nickte. Dann war es gut. Sie hatten sie beide. Zwei Prinzen, zwei Schatten, zwei Feinde.
Auf halbem Weg in seine Kammer wandte er sich noch einmal zu den Wächtern um. »Zwei Prinzen?«, fragte er. »Zwei Schatten?«
»Ja, ja. Geh jetzt. Lass uns wachen.«
Er war so müde, dass der Schlaf über ihn herfiel wie ein Dieb, der sich hinter der Tür versteckt hatte. Aber genauso schnell, wie der Angriff gekommen war, ließ er auch wieder von ihm ab. Der Alte lag mit offenen Augen im Bett und dachte nach.
Etwas stimmte nicht. Zwei Prinzen, zwei Schatten. Wer hatte wen gebissen? Mattim. Sie hatten nur den einen Namen genannt. Was, wenn sie Kunun gar nicht gefangen hatten? Wenn sie gar nichts von ihm wussten? Einen Schatten in der Uniform eines Wächters?
Ganz ruhig lag er da und atmete. Diesmal durfte er nichts falsch machen. Die Wachen verstanden es nicht, ihm zuzuhören. Doch er wusste, wer es konnte.
»Schon wieder?« Er ließ sich durch ihre halb mitleidige, halb spöttische Art nicht kränken.
»Ich muss mit der Königin sprechen«, sagte er.
»Lass gut sein, Alter. Wir haben alles im Griff. Geh schlafen.«
»Nein!«, rief er und erschrak, als seine krächzige Stimme durch das Gewölbe hallte. »Ich muss mit der Königin sprechen. Ruft sie her.«
»Die Königin weint«, berichtete einer der Wächter leise. »Sie ist hier vorbeigekommen, weinend. Du hast keine Ahnung, was dieser Tag für sie bedeutet. Niemand wird sie stören, hast du verstanden?« Er legte seine Hand auf die Schulter des Alten und drehte ihn mit sanfter Gewalt um, sodass er zu seinem Zimmer blickte.
»Nein!«, rief er. »Ich muss die Königin sprechen!«
»Was willst du ihr denn sagen?«
Er starrte den Wächter an. Er wusste es nicht. Aber eben noch hatte er es gewusst. Und wenn er sie sah, würde es ihm sicher wieder einfallen.
»Ich muss sie sprechen! Königin Elira!«, schrie er, so laut er konnte. »Königin Elira! Holt die Königin! Schnell!«
»Er ist verrückt«, sagte der Wachposten kopfschüttelnd. »Was für eine Nacht. Davon werde ich noch meinen Enkeln erzählen.«
»Du wirst nie Enkel haben, wenn du nicht die Königin rufst«, beschwor ihn der Alte. »Königin Elira!« Er wusste, dass es um Leben oder Tod ging. Daran klammerte er sich fest. Es gab etwas, was sie erfahren musste.
»So ist er sonst nie«, sagte der andere Wächter beunruhigt. »Vielleicht hat er ihr wirklich etwas Wichtiges zu sagen. Man weiß es nicht, in einer Nacht wie dieser. Schatten und Wölfe sind über den Fluss gekommen. Vielleicht hat er etwas gesehen.«
»Ich würde sie nicht stören. Willst du das wirklich wagen?«
»Ich glaube nicht, dass sie schläft. Außerdem hat sie immer so viel Geduld mit ihm. Vielleicht lenkt es sie ab, vielleicht ist sie sogar dankbar. Ich geh und sag ihr Bescheid.«
»Danke«, wisperte der Alte. »Ich muss ihr berichten – das Gesicht … es stimmt nicht.«
Der Wächter, der bei ihm blieb, versuchte die Geschichte aus ihm herauszubekommen, die er erzählen wollte, die wirre Geschichte von Bildern, Gesichtern und Narben.
Dann kam die
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