Magyria 02 - Die Seele des Schattens
schwaches Glimmen die Stadt erleuchtete. »Der König ist noch da. Wenn er die Schatten an sein Herz zieht, wird dann nicht alles heil? Vielleicht hat Kunun recht, und hier finden wir nicht das Ende, sondern den Beginn. Vielleicht erfüllt sich hier sein Traum.«
Mirita starrte sie an. »Du glaubst doch nicht im Ernst, dass der König die Schatten in die Arme schließen wird! Als Mattim ging und verwandelt wurde, kam die Dämmerung. Wenn der König verwandelt wird, beginnt die Dunkelheit. Wisst ihr das denn nicht? Selbst der wahnsinnige Jäger sollte so weit denken können.«
Hanna fühlte das Blut in ihren Schläfen pochen. Licht heilt die Wunden … Was würde geschehen, wenn Kunun den König erreichte? Was würde kommen – die Erlösung oder die ewige Nacht?
»Der König hatte Mattim umarmt – und er kam nach Hause ohne Narben. Alles war heil.«
Mirita fasste sich an ihre tiefe Wunde. Der Blick des schwarzen Wolfs ruhte auf ihr, besorgt und liebevoll.
»Dann wäre es schön, wenn er mich umarmen könnte, bevor er verwandelt wird.«
»Und Réka …« Hanna fühlte die Angst um ihre junge Freundin wieder in sich aufsteigen. »Ich muss in die Burg!«
»Dort wird immer noch gekämpft«, warnte einer der Schatten. »Geh lieber nicht dorthin, Prinzessin.«
»Hilfst du mir?«, wandte sie sich an Mirita.
Diese zögerte nur kurz. »Vielleicht bekomme ich noch eine Umarmung vom König, bevor er zu dem wird, was ich bin.« Sie lachte leise und traurig. »Gehen wir.«
Hinter ihnen tappte der Wolf auf leisen Pfoten durch die Stadt.
»Hier kommen wir nie hinein.«
Die Soldaten, die das Haupttor schützten, standen so dicht, dass sie nicht einfach unauffällig hindurchschlüpfen konnten.
»Du kannst durch Wände gehen, schon vergessen?« Hanna musste ihr ja nicht sagen, dass die Schatten diese Fähigkeit üben mussten und sie nicht jedem so leichtfiel wie Mattim.
»Echt …?« Mirita legte die Hand auf die verwitterten Steine. »Unsinn. Es ist alles fest. Ich kann das nicht.«
»Du musst. Beeil dich endlich.«
Mirita atmete tief durch, biss die Zähne zusammen, packte Hannas Hand und führte sie durch die Mauer.
Mattim raste zwischen den Wachen hindurch und jagte die Treppe hinauf. Ein brennender Pfeil schoss haarscharf an seinem Kopf vorbei und setzte einen Vorhang in Brand. Er drehte sich nicht um, sondern nahm mehrere Stufen auf einmal, sprang einen weiteren Absatz hinauf und verhielt dann, horchend. Auch von weiter oben kamen Kampfgeräusche und Geschrei. Rauch drang durch die offenen Fenster und überlagerte alle anderen Gerüche.
Er wetzte den Gang hinunter, bog um eine Ecke und lauschte erneut. Rékas Stimme, ja, ganz klar. Der goldene Wolf flog fast, so schnell lief er einen weiteren Gang entlang, hetzte eine Treppe hinauf und platzte in eine Patrouille, die dasselbe Ziel hatte wie er. Er fuhr mitten durch sie hindurch wie ein Blitzstrahl und stürzte ins Zimmer. Mit einem Blick erfasste er die Situation. Réka im Käfig. Die Wachen. Dort, der König. Und Wilder. Sein Bruder versuchte die Soldaten zu vertreiben und griff gerade wieder an. Doch Faranks Gegenwart war am gefährlichsten für das Schattenmädchen. Eine Weile konnte er sich sogar mit ihr unterhalten, aber wenn er zu lange hier war oder ihr zu nahe kam …
Mit einem wütenden Knurren bewegte Mattim sich auf seinen Vater zu. Er wünschte sich, er hätte sprechen können. Was hätte er dafür gegeben, sagen zu können: Geh, bitte, du bringst sie um! Geh, vertrau mir. Komm mit mir, wir können es schaffen. Solange Kunun noch nicht hier ist, haben wir eine Chance!
Mit aufgerissenen Augen starrte Farank ihn an. »Nein!«, schrie er laut. »Weg, weg!« Der König blickte sich nach einer Waffe um und packte einen schmiedeeisernen Leuchter. Heißes Kerzenwachs tropfte auf den Boden, als er dem zweiten Wolf entgegentrat.
Erkenne mich , wollte Mattim rufen, bitte, Vater, sieh hin!
Entschlossen hieb der König mit dem schweren Kerzenständer nach ihm. Elegant tauchte Mattim darunter hinweg und sprang Farank von hinten an. Entsetzt schrie dieser auf; er taumelte nach vorne.
»Nein! Oh beim Licht, nein!« Die Qual in der Stimme seines Vaters war unerträglich, aber Mattim konnte ihn nicht in Ruhe lassen. Die Zeit drängte; jeder Augenblick war für Réka lebensgefährlich. Und jeden Moment konnte Kunun hier auftauchen.
Wilder fuhr zwischen die Soldaten und biss einen zweiten, der schreiend das Weite suchte. Durch die entstandene Lücke trieb
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